Am 12. März wird es ernst in Straßburg. Auf der Agenda steht eine brisante Abstimmung des EU-Parlaments über sogenannte Gigaliner. Arbeiterkammer und Gewerkschaft vida kritisieren die Pläne für Riesen-LKW auf unseren Straßen
Die AK weist seit Jahren auf die negativen Konsequenzen und Begleiterscheinungen einer möglichen EU-weiten „Ausrollung“ dieser bis zu 25m langen Riesen-Lkws hin. „Gigaliner als nützlichen Beitrag zum Erreichen von Klimaschutzzielen und zur Verbesserung der Klimabilanz ins Treffen zu führen, ist ein absurder Etikettenschwindel, um die Interessen der Frächterlobby zu bedienen,“ so Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer.
Auch die Verkehrssicherheit bliebe bei mehr Gigalinern auf Europas Straßen sprichwörtlich „auf der Strecke“, da sie bei Unfällen aufgrund ihrer Größe und Masse zusätzlich zu Schwierigkeiten führen. „Ich möchte mir nicht ausmalen, was die Konsequenzen eines Unfalls eines Gigaliners etwa in einem Tunnel für Autofahrende und Fahrer:innen wären. Denn unsere Straßen- und Rettungsinfrastruktur (Nothaltebuchten, Bergungsgerät usw.) ist für die Gigaliner schlicht nicht ausgelegt.“
Gerhard Tauchner, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida, appelliert an die Abgeordneten, dieser flächendeckenden Zulassung nicht zuzustimmen. „Das wäre ein absolut falsches Signal für alle Klimaschutz- und Green Jobs-Bemühungen sowie für das erklärte Ziel der EU, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern zu wollen“, sagt Tauchner. „Man darf hier im Interesse von Anrainer:innen, der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer:innen und auch der LKW-Lenker:innen selbst keinen Kniefall vor der nach noch höheren Profiten strebenden Frächterlobby aufs Parkett legen“, warnt der vida-Gewerkschafter.
Dass Gigaliner einen nützlichen Beitrag zur Erreichung von Klimaschutzzielen leisten würden, hält Tauchner für ein „schlechtes Märchen der Frächterlobby“. Ernst genommen werden müssten aber die Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit. Aufgrund der Größe und Masse von Gigalinern würde dies zu zusätzlichen Problemen bei Unfällen führen. „Ich möchte gar nicht daran denken, was bei einem Gigaliner-Unfall in einem Tunnel alles passieren könnte.“ Österreichs Straßen- und Rettungsinfrastruktur (u.a. Nothaltebuchten, Bergungsgerät) sei für Gigaliner nicht genügend ausgebaut, gibt der Gewerkschafter zu bedenken.
Die Kosten für den notwendigen Umbau und die Erhaltung der Allgemeinheit zuzumuten, sei nicht vertretbar. Die ASFINAG schätzt die Kosten für eine Adaptierung der Autobahnen für Gigaliner auf inflationsbereinigte 7,6 Mrd. Euro. Dieses Geld aufzuwenden erscheint geradezu irrsinnig, wenn man bedenkt, dass mit dem Schienengüterverkehr eine sichere und nachhaltige Alternative zur Verfügung steht. „Statt der Einführung von Gigalinern sind die Europäische Kommission und die Bundesregierung gefordert, endlich Maßnahmen zu mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr zu setzen: Sozial- und Lohndumping müssen bekämpft und die Rechte der Fahrer:innen durchgesetzt, die Mautspielräume der EU ausgenützt und der Schienengüterverkehr zumindest im gleichen Maß wie der Güterverkehr auf der Straße gefördert werden“, so Oberndorfer.
Auf der Hand liegt auch, dass Erleichterungen in der Zulassung und im Einsatz von Gigalinern in nur manchen EU-Staaten dazu führen werden, dass sich der Druck, diese zuzulassen im gesamten Binnenmarkt erhöhen wird. Logistikunternehmen, die in diese Fahrzeuge investieren, wollen schließlich gewinnbringende Geschäfte machen und ihre Investition in Profiten realisieren, was wiederum den Druck erhöhen wird, diese auch flächendeckend zuzulassen.
Bei der Abstimmung des EU Parlaments am 12.3.2024 in Straßburg wird deutlich werden, ob die Interessen der Anrainer:innen, Verkehrsteilnehmer:innen , Beschäftigten und des Klimas mehr zählen, als das Interesse der Frächterlobby, die mit höhereren Gewichten, Größen und Längen von Lkws noch größere Profite machen wollen.
Für die längst fällige Mobilitätswende muss der Güterverkehr einerseits reduziert, aber auch vermehrt auf die Bahn verlagert werden. Denn in ökologischer Hinsicht ist die Güterbahn dem Lkw-Verkehr weit überlegen: Sie ist sicherer, sauberer und energieeffizienter. So betragen deren Treibhaus-Emissionen in Österreich – im Vergleich zum Lkw – gerade einmal ein Zwanzigstel. Der Schienengüterverkehr müsste also ausgebaut werden, wurde aber durch die Eisenbahnliberalisierung geschwächt. Es wäre daher höchste Zeit, aus den Fehlern zu lernen und bei der Liberalisierung den Rückwärtsgang einzulegen.
Nationale integrierte (Infrastruktur, Personen- und Güterverkehr in einer Hand) Staatsbahnen dominierten für viele Jahrzehnte das europäische Eisenbahnwesen. Es hatte historische und militärische Gründe, dass dessen technische Systeme stark fragmentiert waren bzw. sind: unterschiedliche Spurweiten, verschiedene Stromsysteme (Gleich- und Wechselstrom in mehreren Spannungshöhen), national unterschiedliche Gesetze, unterschiedliche Sicherungs- und Signalsysteme usw. Die Europäische Kommission bemühte daher den Vergleich mit dem Lkw-Verkehr, wo ein Fahrzeug von „Helsinki bis Palermo“ unter identen Rahmenbedingungen unterwegs sein kann. Geschickt verbindet sie dabei die positiven Ansätze einer technischen Harmonisierung mit ihrem ideologischen Anliegen der Liberalisierung.
Befürworter von Liberalisierungen argumentieren gerne damit, dass Wettbewerb alles besser und billiger machen würde. Der tatsächliche Grund ist aber, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu einem gewinnbringenden Geschäft zu machen. Betreibt nämlich die öffentliche Hand Krankenhäuser, Wasserversorgung, Eisenbahnen, Schulen usw. gibt es kein Geschäftsmodell für Private; und den öffentlichen Betreibern reicht oft eine schwarze Null. Erst durch Liberalisierung und Wettbewerb kommen Profitinteressen hinzu. Aus einem Service für alle wird dadurch ein gutes Geschäft für wenige.
Eine Frage der Sicherheit
Die Eisenbahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel und soll es auch bleiben. Die Liberalisierung hat aber zum „Unbundling“ (= Entflechtung) von integrierten Eisenbahnunternehmen geführt; so kümmert sich die „ÖBB Infra“ um die Schienenstrecken, die dann von den Schwesterunternehmen ÖBB Personenverkehr und Rail Cargo Austria befahren werden. Aber auch andere Eisenbahnen sind auf diesem Streckennetz unterwegs. Dies führt zu Schnittstellenproblemen und hat negative Auswirkungen auf die Gesamteffizienz sowie auf die Sicherheit. Ein objektiver (Un)-Sicherheitsindikator ist das Überfahren von Haltesignalen. Wie Daten aus Deutschland und Tschechien zeigen, haben diese Zwischenfälle in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen (siehe Grafik). Dies liegt an der mangelnden Koordination oder schlechter Kommunikation zwischen den verschiedenen Unternehmen, aber auch am zunehmenden Stress sowie mangelhafter Ausbildung bei den Beschäftigten.
Die Krux mit der Liberalisierung des Güterverkehrs
Jahrzehntelang bestand das Geschäftsmodell von Staatsbahnen darin, mit sogenannten Ganzzügen ausreichend Gewinn zu machen, um damit den arbeits- und kostenintensiven Einzelwagenverkehr betreiben zu können. Zur Erklärung: Ganzzüge fahren „in einem Stück“ von A nach B. Das kann ein Containerzug vom Hafen Rotterdam zum Terminal Wien sein oder ein Kohletransport von Polen zur Voest nach Linz. Beim Einzelwagenverkehr werden einzelne Waggons oder Wagengruppen von einem Sägewerk, einem Zementwerk usw. abgeholt und mit anderen Waggons zu einem Zug zusammengestellt. Mit diesem „Einsammeln“ kann man in Summe zahlreiche Züge zusammenstellen und gewaltige Tonnagen bewegen. Dieser Verkehr stellt durch seine Flächenerschließung eine gute Alternative zum Lkw dar, ist aber im Betrieb aufwändig und kostspielig.
Mit dem Ersten Eisenbahnpaket aus dem Jahr 2001 wurden u. a. die Zugangsrechte für den internationalen Güterverkehr geregelt und schrittweise ausgedehnt. Durch die Eisenbahnliberalisierung kam es bei den Ganzzügen durch neue Anbieter zu einem scharfen Wettbewerb, wodurch die Frachttarife sanken. Das mühselige „Gröscherlgeschäft“ des Einzelwagenverkehrs überließ man weiterhin den Staatsbahnen, die dieses kontinuierlich zurückfuhren. Der Einzelwagenverkehr macht in Deutschland immer noch etwa 40 Prozent des gesamten Schienengüterverkehrs aus, aber die Anzahl der privaten Gleisanschlüsse ist seit 1994 auf ein Fünftel zurückgegangen.
Ein weiterer Faktor ist, dass durch die schleichende Deindustrialisierung Europas der Anteil der klassischen „schienenaffinen“ Güter – also Kohle, Stahl, Zement usw. – abnimmt. Hinzu kommt, dass EU-Binnenmarkt und wirtschaftliche Globalisierung auf möglichst billigen Gütertransport aufgebaut sind. Nur durch dieses „Schmiermittel“ kann man an jedem beliebigen Ort produzieren und dann zu den Konsument:innen liefern. Das ist auch der Hintergrund, wieso durch Sozial- und Umweltdumping der Lkw-Verkehr künstlich billig gemacht wird. Die furchtbaren Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer sind also kein Hoppala, sondern kalkulierte Absicht. Dies setzt den Schienengüterverkehr natürlich zusätzlich unter Druck. Der Marktanteil der Güterbahnen ist in den einzelnen europäischen Ländern sehr unterschiedlich; er geht aber kontinuierlich zurück: Lag er in der EU 1995 noch bei 15,6 Prozent ist er bis 2021 auf 11,9 Prozent zurückgegangen. Inzwischen hat er – auch bedingt durch die erhöhten Energiepreise – einen kritischen Wert erreicht, wodurch der Weiterbestand der Güterbahnen ernsthaft gefährdet ist. Die Güterverkehrssparte von SNCF und DB sind durch Untersuchungen der Europäischen Kommission über „Schuldenerlässe“, die als ungerechtfertigte Beihilfen verstanden werden, in ihrer Existenz bedroht.
Was tun?
Die neoliberal ausgerichtete Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission hat es verabsäumt, für einen „fairen Wettbewerb“ zwischen den Verkehrsträgern zu sorgen. Stattdessen hat sie einen ruinösen Wettbewerb zwischen den Güterbahnen angezettelt. Bislang hat man den Lkw-Verkehr stark subventioniert (Dieselprivileg, Mautbefreiung auf den meisten Straßen, Mautspielräume auf Österreichs Autobahnen nicht ausgenützt, wenig Kontrollen usw.), aber auch den Schienengüterverkehr etwas gefördert. Bei der Bahn ist man aus wettbewerbsrechtlichen Gründen rasch an finanzielle Grenzen gestoßen. Dieses Gießkannenprinzip muss aufhören! Stattdessen benötigen wir echte Kostenwahrheit beim Lkw und hohe soziale Standards bei allen Verkehrsträgern. Wirksame Fördermaßnahmen bei der Güterbahn sind aber weiterhin notwendig – speziell beim Einzelwagenverkehr.
Der Bahnsektor ist durch hohe Fixkosten gekennzeichnet. Eine der wenigen Stellschrauben für Wettbewerbsvorteile liegt bei den Personalkosten. Wie eine aktuelle Untersuchung der ETF (Europäische Transportarbeiter:innen-Föderation) zeigt, haben Entflechtung, Privatisierung und verstärkter Wettbewerb zu einer Abwärtsspirale der Sozial- und Arbeitsbedingungen bei den Eisenbahnen in der gesamten EU geführt. Das hat auch negative Auswirkungen auf die Attraktivität für potenzielle Arbeitnehmer:innen, Lehrlinge und diejenigen, die bereits in diesem Sektor arbeiten. Ohne politische Kurskorrektur wird es in Zukunft nicht genug Eisenbahner:innen geben, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen und das Land am Laufen zu halten. Dann sieht es aber schlecht für die Mobilitätswende aus!
Über dies und andere Bahnthemen informiert die aktuelle Kampagne „Unsere Bahnen“ von Gewerkschaft vida und AK.
Am 8. April 2024 findet im AK-Büro in Brüssel eine spannende Podiumsdiskussion zum Thema „Railway Liberalisation – Lessons learned“ statt. Beginn ist um 18.30 Uhr. Die Veranstaltung wird auch gestreamt.
Dieser Beitrag von Heinz Högelsberger erschien zuerst am A&W-Blog. Heinz Högelsberger arbeitet in der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien.
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Angesichts der Schwierigkeiten der Bahn in der Ostregion fordert die AK von der Politik konkrete Schritte für einen zuverlässigen und guten öffentlichen Verkehr.
Die Arbeiterkammer (AK) sieht sich mit einer Welle von Ärger bei Pendler:innen konfrontiert, die über die anhaltenden Probleme mit Pünktlichkeit und Qualität der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in der Ostregion berichten. Insbesondere betroffen sind Pendler:innen auf der Südstrecke.
Die AK hat schon bei der Einführung des Klimatickets darauf hingewiesen, dass dieses zwar ein wichtiger Baustein ist, um den öffentlichen Verkehr für mehr Menschen attraktiver zu machen, aber nur wenn das Angebot gleichzeitig entsprechend stark und rasch ausgebaut sowie gesichert wird. Genau das ist leider nicht geschehen. „Zwar konnte seit 2016 das Bahnangebot in der Ostregion erfreulicherweise von 34,1 Mio. auf 50 Mio. Zugkilometer erhöht werden, doch der Ausbau der Fahrzeugflotte und des Personals blieb hinter dieser Ausweitung des Angebots zurück. Die Folgen dieser falschen, immer noch von marktliberalen Glaubensätzen geprägten Politik müssen jetzt die Pendler:innen erleiden“, so Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr der AK Wien.
Die Vorkommnisse verdeutlichen aus Sicht der AK zwei grundlegende Probleme der europäischen und nationalen Verkehrspolitik:
Die Aufstockung des Personals hinkt dem Angebotsausbau massiv hinterher. So fehlen Mechaniker:innen für die Reparatur, es gibt zu wenig Lokführer:innen und mit der Ausdünnung von Fahrdienst- und Zugbegleiter:innen kann man weder ein gutes Service für die Kund:innen bieten noch den Entfall von Zügen managen. Jetzt rächen sich Versäumnisse, der Vergangenheit: Auf die absehbare Pensionierungswelle reagierte das Management zu zögerlich und zu spät.
Der von der Europäischen Kommission seit vielen Jahren verfolgte Ansatz, Liberalisierung und Wettbewerb würden zu mehr Effizienz und Entbürokratisierung führen, hat sich als falsch erwiesen. Sowohl bei der Vergabe von Bahnleistungen als auch bei der Beschaffung von Fahrzeugen sind die Verfahren aufwändiger und durch Einsprüche und Gerichtsverhandlungen länger und weniger planbar geworden. Damit fehlt es an Wagenmaterial. Dazu kommt, dass Reisezugwaggons aus Kostengründen vorschnell ausgemustert wurden, die nun fehlen. „Es zeigt sich immer deutlicher, dass deregulierte Märkte nicht ausreichend in der Lage sind, die Menschen mit guter und nachhaltiger Mobilität zu versorgen“, so Oberndorfer.
Aus Sicht der AK ist die Bundesregierung jetzt gefordert, alles zu unternehmen, damit die ÖBB rasch ihre Personallücke in allen Bereichen schließen kann. Das wird nur mit guten Beschäftigungsbedingungen und Löhnen gelingen.
Außerdem muss sich die Bundesregierung für eine aktive Wirtschaftspolitik in Österreich und Europa einsetzen, welche die Bahnindustrie stärkt und die Liberalisierung im Bereich des öffentlichen Verkehrs zurückdrängt. „Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Bahnen rasch genug regional produziertes Wagenmaterial bekommen und nicht von China abhängig werden“, so Lukas Oberndorfer. Dazu braucht es raschere und effizientere Vergabeverfahren, die regionale und soziale Kriterien berücksichtigen.
Die entsprechenden Maßnahmen schaffen die Grundlage dafür, um die nötige Mobilitätswende auch auf den Boden zu bringen. „Denn trotz kleiner erster Erfolge bleibt der Verkehr bei der Eindämmung des Klimawandels nach wie eines der größten Sorgenkinder,“ mahnt Oberndorfer. Je nach Region haben derzeit 20 bis 30 Prozent der Einwohner:innen in der Ostregion keinen Zugang zu öffentlichem Verkehr. Gleichzeitig sind die Züge in den stark nachgefragten Strecken überfüllt. „Die AK fordert daher ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität ein, das Fahrgäste, Beschäftigte und Klima in den Mittelpunkt stellt. Dazu müssen gesetzlich verankerte verkehrspolitische Ziele als festgelegte Bedienstandards und langfristige Pläne samt Finanzierung auf den Weg gebracht werden.“ so Oberndorfer. Die im Regierungsprogramm angekündigte Mobilitätsgarantie sei nicht einmal ansatzweise umgesetzt.
Unmittelbar empfiehlt die AK den betroffenen Pendler:innen mit Zeitkarten, sich für das Entschädigungsprogramm anzumelden. Grundsätzlich leitet sich aus den Fahrplan-Anpassung kein Rechtsanspruch auf eine Entschädigung im Sinne der Fahrgastrechte ab. Die ÖBB wird aber die im Zuge der Fahrplananpassung gestrichene Züge ebenfalls in die Verspätungsstatistik mit aufnehmen. Die Registrierung ist unter diesem Link möglich: https://servv.oebb.at/Fahrgastrechte/
Die Arbeiterkammer bleibt entschlossen, die Interessen der Pendler:innen in der Ostregion zu vertreten und sich weiterhin für Verbesserungen im öffentlichen Verkehr einzusetzen. Durch fortlaufende Beobachtung und enge Zusammenarbeit mit relevanten Akteur:innen wird die AK weiterhin beharrlich darauf hinarbeiten, dass die Forderungen nach einem zuverlässigen, qualitativ hochwertigen und umweltfreundlichen Bahnverkehr nicht unbeachtet bleiben.
Kritik an zu niedriger LKW-Maut: klimafreundlicher Schienenverkehr bleibt auf der Strecke, ausländischen Frächtern werden “die Reifen vergoldet”
Die Gewerkschaft vida richtet heute gemeinsam mit der Klimabewegung einen dringenden Appell an die Bundessparte Transport und Verkehr der WKO, sich im Sinne der Steuerzahler:innen für eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene einzusetzen. Deswegen haben vida, Fridays for Future, Workers for Future und System Change not Climate Change heute Vormittag den Eingang der Wirtschaftskammer-Zentrale in Wien mit einem LKW blockiert und dort eine Protestkundgebung veranstaltet. Damit wiesen im Rahmen der Initiative “Unsere Bahnen” auf die Macht der WKO-Frächterlobby hin, die mit Beginn 2024 eine Verbilligung der LKW-Maut erreicht hat und eine klimagerechte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene blockiert.
“Wir gehen nicht vor der WKO-Frächterlobby in die Knie. Die Wirtschaftskammer blockiert die dringend nötige Güterverkehrswende – deswegen blockieren wir heute symbolisch die Wirtschaftskammer. Hinter dem WKO-Lobbying steckt auch Eigeninteresse: Alexander Klacska, der Obmann der Verkehrssparte besitzt selbst ein großes LKW-Frachtunternehmen und profitiert von den Steuer- und Mautprivilegien für den LKW-Verkehr. Wer darunter leidet, sind die transitgeplagte Bevölkerung, die Schienengüterverkehrsbranche, das Klima und wir alle als Steuerzahler*innen: Österreich lässt durch die viel zu niedrige Maut allein bis 2026 1,4 Milliarden Euro auf der Straße liegen. Die Bundesregierung hat den ausländischen LKW-Frächtern damit die Reifen vergoldet”, kritisiert Olivia Janisch von der Gewerkschaft vida.
“Weniger ist mehr – ganz besonders, wenn es um LKW-Transit geht! Angesichts der Klimakatastrophe können wir den endlosen LKW-Kolonnen auf unseren Straßen nicht weiter zusehen! System Change fordert stattdessen den Umstieg auf den Schienengüterverkehr. Transport muss von der Straße auf die Schiene kommen! Wir protestieren vor der WKO, weil sie der Bevölkerung aufgrund kurzsichtiger Kapitalinteressen noch mehr LKW-Transit aufladen will!”, sagt Johannes Sailer von System Change not Climate Change.
„Der Straßenverkehr ist einer der Hauptverursacher der österreichischen Emissionen. Dennoch ist der Güterverkehr auf der Straße seit 1990 um unglaubliche 123 Prozent gestiegen. Wenn es so weitergeht, wird Österreich seine Klimaziele krachend verfehlen. Neben Strafzahlungen in Milliardenhöhe bedeutet dies katastrophale Folgen für weite Teile der Gesellschaft. Deshalb brauchen wir jetzt politische Entscheidungen, die den Schienengüterverkehr priorisieren!“, sagt Teresa Tausch von Fridays for Future, die sich gemeinsam mit Kolleg:innen am heutigen Protest beteiligt hat.
Hintergrund: Mehr Informationen zur EU-Wegekostenrichtlinie, Berechnungen zu entgangenen Einnahmen für die öffentliche Hand und ein Vergleich der Rahmenbedingungen und Folgeschäden durch den Güterverkehr auf der Straße bzw. auf der Schiene findet sich in unserem Hintergrundpapier.
Fotos von der Aktion zur freien Verwendung sind hier zu finden.
Nachtzüge sind die ökologische Alternative zu Kurz- und Mittelstreckenflügen. Trotzdem war diese Art des Reisens jahrelang im Niedergang. Jetzt wird das Nachtzugangebot in Europa schrittweise wieder erweitert. Es könnte allerdings viel schneller gehen, wären da nicht einige Hürden.
Kaum eine Art zu reisen ist so ökologisch wie der Nachtzug. Flugzeuge stoßen zwischen zehn- und dreißigmal mehr Treibhausgas-Emissionen aus als Nachtzüge – das trifft auch abhängig von der Herkunft des Bahnstroms zu. Trotzdem wurde das Angebot in den letzten Jahrzehnten massiv ausgedünnt. Laut EU-Kommission ist seit 2001 die Anzahl der Nachtzugverbindungen auf ein Drittel des damaligen Angebots geschrumpft.
Seit einiger Zeit ändert sich das aber wieder, das Angebot wird laufend ausgebaut. Hier ist Österreich tatsächlich Vorreiter: Die ÖBB betreiben gut zwei Dutzend Verbindungen, die jährlich von 1,5 Millionen Fahrgästen genutzt werden.
Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 geht es jetzt auch im Nightjet von Berlin nach Paris und Brüssel – zuerst dreimal wöchentlich, ab Oktober 2024 täglich. Ab dann gibt es auch eine tägliche Verbindung von Wien nach Paris und Brüssel. Die ÖBB investieren rund 800 Millionen Euro in neue Züge. Die ersten fabrikneuen Nachtzuggarnituren werden auf der Strecke von Wien und Innsbruck nach Hamburg eingesetzt.
Bedeutet das alles, dass jetzt eine Renaissance der Nachtzüge einsetzt? Die Nachfrage wäre durchaus vorhanden, doch der Betrieb von Nachtzügen muss sich auch wirtschaftlich rechnen. Dem stehen derzeit leider noch einige Hindernisse im Weg.
Langsame Amortisation: Während ein Sitz in einem Flugzeug oder Fernzug vier- bis fünfmal pro Tag verkauft werden kann, kann der Platz in einem Nachtzug jeweils nur von einem Fahrgast genutzt werden. Das verlängert die Amortisationsdauer. Mehr Personal an Bord: Der Betrieb von Nachtzügen ist sehr serviceintensiv. Man benötigt mehr Personal als in Tageszügen. Außerdem werden bei der Entlohnung Nachtzuschläge fällig. Höhere Kosten für Schienenmaut und Energie: Da Nachtzüge über sehr lange Distanzen unterwegs sind, fallen entsprechend hohe Kosten an Schienenbenützungsgebühr und für den Fahrstrom an.
Um dem Nachtzug endgültig zum Durchbruch zu verhelfen, schlagen die ÖBB vier konkrete Maßnahmen vor:
Senkung der Schienenmaut für Nachtzüge: Das Schienenbenützungsentgelt macht rund zehn bis 20 Prozent der Gesamtkosten aus. Diese Gebühr ist eine wichtige Stellschraube, denn andere Kostenfaktoren (Personal, Rollmaterial, Energie) können nicht gesenkt werden und Fahrpreise sollen nicht erhöht werden. Belgien ist hier vorbildlich. Seit 1. Juli 2023 werden die Kosten für Schienennutzung und Fahrstrom vom Staat rückerstattet.
Unterstützung durch öffentliche Zuschüsse: Neue Zugverbindungen benötigen – speziell in der Anfangsphase – Unterstützung durch öffentliche Gelder. Die sogenannte PSO-Verordnung lässt dies ausdrücklich zu. Leider nutzen nur wenige EU-Staaten (z.B. Österreich) diese Möglichkeit, um Nachtzüge wirtschaftlich lebensfähig zu erhalten.
Fairer Wettbewerbsbedingungen: Der Flugverkehr wird mit zahlreichen Steuerbefreiungen gefördert: Weder für Kerosin noch für internationale Tickets fallen Steuern an. Den EU-Staaten entgingen dadurch allein im Jahr 2022 rund 34 Milliarden Euro an Einnahmen. Während die Bahn für jeden Kilometer Schienenbenutzungsentgelt zahlt (siehe Ausnahme in Belgien), sind Fernbusse auf vielen Straßen von der Maut befreit. All diese systematischen Benachteiligungen der Eisenbahn müssen aufhören!
Maßnahmen gegen Verspätungen: Instandsetzungsarbeiten an Schienen und Streckensperren erfolgen häufig in der Nacht. Davon sind Nachtzüge besonders betroffen, die dann auf Umleitungsstecken und mit großen Verspätungen unterwegs sind. Auch bei Kapazitätsengpässen werden Nachtzüge oft benachteiligt. Hier bedarf es eines professionellen Managements, um weiterhin eine hohe Servicequalität sicherstellen zu können.
Den Nachtzügen sollte die Zukunft gehören. Dazu müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen.
Bei der aktuellen Novellierung des Bundestraßen-Mautgesetzes hat sich die Frächter-Lobby wieder einmal voll durchgesetzt. Obwohl die EU erstmals CO2-Aufschläge erlaubt, nutzt die österreichische Bundesregierung diese neuen Spielräume nicht voll aus. Somit bleiben jährlich 700 Millionen Euro an entgangenen Mauteinnahmen sprichwörtlich auf der Straße liegen und sind für die Bahn verloren. Dem Transit-LKW-Verkehr durch Tirol wird damit der rote Teppich ausgelegt.
Worum geht es? Die EU-Wegekosten-Richtlinie regelt, wie eine Maut auf Autobahnen in Europa eingehoben wird. Der Güterverkehr erfolgt nämlich zum Großteil auf der Straße. Um den Güterverkehr umweltschonender zu machen, haben sich das Europäische Parlament und der Rat nach fünfjährigen Verhandlungen in der EU-Wegekosten-Richtlinie auf einen Kompromiss geeinigt, der erstmals einen CO2-Mautzuschlag sowie eine bessere Berücksichtigung von externen Kosten bei Luftverschmutzung und Lärm vorsieht. Mitgliedstaaten können so über Mauttarife den Umstieg auf klimafreundliche Lkw bzw. – durch fairere Wettbewerbsbedingungen – die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn forcieren. Mit den Aufschlägen sollen überdies nachhaltige Verkehrslösungen zur Entlastung von Autobahnen finanziert werden; also beispielsweise Bahnstrecken oder öffentliche Verkehrsmittel ausbauen. Im Endeffekt soll damit der Verkehrssektor klimafreundlicher werden.
Einnahmen aus Mautaufschlägen für CO2, Luftverschmutzung und Lärm verbleiben nicht beim Autobahnbetreiber, sondern fließen in den Bundeshaushalt. Die ASFINAG hebt derzeit rund 50 Millionen Euro bei externen Kosten für Lärm und Luftverschmutzung für den Bund ein, die zweckgewidmet für den öffentlichen Nahverkehr ausgegeben werden. Die neue Wegekosten-Richtlinie erlaubt erstmals, dass ein CO2-Mautaufschlag für Lkw (bis zu € 200 pro Tonne CO2) eingehoben werden kann. Deutschland nützt diese Möglichkeit ab 1. Dezember 2023 maximal aus. Konkret heißt dies, dass dort beispielsweise ein Lkw mit vier Achsen und gängiger Abgasnorm (EURO VI) knapp 16 Cent pro Kilometer an Maut entrichten muss. Laut AK-Berechnungen ergäbe ein solcher CO2-Mautaufschlag in Österreich Mauteinnahmen von 580 Millionen Euro pro Jahr, ein volles Ausschöpfen des Handlungsspielraums bei externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm könnte weitere 120 Millionen Euro bringen.
Diese neuen Mautzuschläge könnten auch zur verkehrspolitischen Steuerung eingesetzt werden. Rund 60 Prozent von jährlich 2,6 Millionen Lkw-Fahrten über die Brenner-Autobahn müssten laut Tiroler Landesregierung aufgrund der Distanzen eigentlich durch die Schweiz erfolgen. Sie fahren aber durch Tirol, weil vor allem die Mautkosten niedriger sind. Für eine weitere Verringerung der Transitfahrten müssen allerdings auch der „Tanktourismus“ durch Lkw (= Dieselpreis ist in Österreich niedriger als in den benachbarten EU-Staaten) und effizientere Schwerverkehrskontrollen in Angriff genommen werden. Auch der Schienengüterverkehr wird durch diese unfaire Bevorzugung des LKW-Verkehrs geschwächt.
Die jüngste Novelle zum Bundesstraßen-Mautgesetz setzt diese EU-Bestimmungen um. Die Regierungsparteien haben sich im August auf einen Kompromiss verständigt. Konkret steigt der CO2-Mautaufschlag für einen Lkw mit vier Achsen und der Abgasnorm Euro VI von knapp 4 bis 2026 auf 9 Cent. Für die Jahre ab 2027 werden überhaupt keinen CO2-Mautaufschläge festgelegt. Der verbesserte unionsrechtliche Handlungsspielraum bei den externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm wird auch nicht ausgenützt. Dieses Nicht-Ausnützen des Mautpotentials bei CO2, Lärm und Luftverschmutzung sowie die Nichtvalorisierung im nächsten Jahr führt bis 2026 zu einem Einnahmenausfall von jährlich rund 700 Euro Millionen. Inflationsbereinigt sinken auf allen Autobahnstrecken die Lkw-Mauttarife. Ironie am Rande: Österreich hat im Europäischen Rat gegen den Beschluss gestimmt, weil es die Mautaufschläge („Bergaufschlag“) als unzureichend ansah. Denn in Österreich besteht das Transitproblem in besonders belasteten Gebirgsregionen, beispielsweise auf der Inntal- und der Brenner-Autobahn.
Unsere Forderungen:
Der Schwerverkehr auf Autobahnen muss einen fairen Beitrag zur Klimawende leisten. Der unionsrechtliche Spielraum bei Mautaufschlägen zu CO2, Lärm und Luftverschmutzung muss vollständig ausgenützt werden. Österreich darf kein Geld an Unternehmen verschenken, zumal diese mehrheitlich ihren Sitz außerhalb von Österreich haben sowie schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen aufweisen.
Mehreinnahmen aus diesen Mautaufschlägen müssen öffentliche Budgets entlasten und für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet werden.
Jeder Cent mehr bei der Lkw-Maut macht den Transit durch Österreich weniger attraktiv. Eine konsequente Verlagerungspolitik muss jedoch weitere Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören insbesondere effektivere Straßen-Schwerverkehrskontrollen, ein Ausbau der Vorlaufstrecken für den Brenner-Basis-Tunnel in Deutschland und Italien. Lkw-Fahrbeschränkungen sollten der Verkehrssicherheit und Umwelt dienen. Die gleiche Besteuerung von Diesel und Benzin in Hinblick auf ihre CO2-Emissionen, die die Kommission vorgeschlagen hat (= Aufhebung des Dieselprivilegs), würde darüber hinaus Lkw-Umwegverkehre durch Tirol reduzieren.
Franz Greil ist Referent in der Abteilung Umwelt & Verkehr der Arbeiterkammer Wien
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