Bei der aktuellen Novellierung des Bundestraßen-Mautgesetzes hat sich die Frächter-Lobby wieder einmal voll durchgesetzt. Obwohl die EU erstmals CO2-Aufschläge erlaubt, nutzt die österreichische Bundesregierung diese neuen Spielräume nicht voll aus. Somit bleiben jährlich 700 Millionen Euro an entgangenen Mauteinnahmen sprichwörtlich auf der Straße liegen und sind für die Bahn verloren. Dem Transit-LKW-Verkehr durch Tirol wird damit der rote Teppich ausgelegt.
Worum geht es? Die EU-Wegekosten-Richtlinie regelt, wie eine Maut auf Autobahnen in Europa eingehoben wird. Der Güterverkehr erfolgt nämlich zum Großteil auf der Straße. Um den Güterverkehr umweltschonender zu machen, haben sich das Europäische Parlament und der Rat nach fünfjährigen Verhandlungen in der EU-Wegekosten-Richtlinie auf einen Kompromiss geeinigt, der erstmals einen CO2-Mautzuschlag sowie eine bessere Berücksichtigung von externen Kosten bei Luftverschmutzung und Lärm vorsieht. Mitgliedstaaten können so über Mauttarife den Umstieg auf klimafreundliche Lkw bzw. – durch fairere Wettbewerbsbedingungen – die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn forcieren. Mit den Aufschlägen sollen überdies nachhaltige Verkehrslösungen zur Entlastung von Autobahnen finanziert werden; also beispielsweise Bahnstrecken oder öffentliche Verkehrsmittel ausbauen. Im Endeffekt soll damit der Verkehrssektor klimafreundlicher werden.
Einnahmen aus Mautaufschlägen für CO2, Luftverschmutzung und Lärm verbleiben nicht beim Autobahnbetreiber, sondern fließen in den Bundeshaushalt. Die ASFINAG hebt derzeit rund 50 Millionen Euro bei externen Kosten für Lärm und Luftverschmutzung für den Bund ein, die zweckgewidmet für den öffentlichen Nahverkehr ausgegeben werden. Die neue Wegekosten-Richtlinie erlaubt erstmals, dass ein CO2-Mautaufschlag für Lkw (bis zu € 200 pro Tonne CO2) eingehoben werden kann. Deutschland nützt diese Möglichkeit ab 1. Dezember 2023 maximal aus. Konkret heißt dies, dass dort beispielsweise ein Lkw mit vier Achsen und gängiger Abgasnorm (EURO VI) knapp 16 Cent pro Kilometer an Maut entrichten muss. Laut AK-Berechnungen ergäbe ein solcher CO2-Mautaufschlag in Österreich Mauteinnahmen von 580 Millionen Euro pro Jahr, ein volles Ausschöpfen des Handlungsspielraums bei externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm könnte weitere 120 Millionen Euro bringen.
Diese neuen Mautzuschläge könnten auch zur verkehrspolitischen Steuerung eingesetzt werden. Rund 60 Prozent von jährlich 2,6 Millionen Lkw-Fahrten über die Brenner-Autobahn müssten laut Tiroler Landesregierung aufgrund der Distanzen eigentlich durch die Schweiz erfolgen. Sie fahren aber durch Tirol, weil vor allem die Mautkosten niedriger sind. Für eine weitere Verringerung der Transitfahrten müssen allerdings auch der „Tanktourismus“ durch Lkw (= Dieselpreis ist in Österreich niedriger als in den benachbarten EU-Staaten) und effizientere Schwerverkehrskontrollen in Angriff genommen werden. Auch der Schienengüterverkehr wird durch diese unfaire Bevorzugung des LKW-Verkehrs geschwächt.
Die jüngste Novelle zum Bundesstraßen-Mautgesetz setzt diese EU-Bestimmungen um. Die Regierungsparteien haben sich im August auf einen Kompromiss verständigt. Konkret steigt der CO2-Mautaufschlag für einen Lkw mit vier Achsen und der Abgasnorm Euro VI von knapp 4 bis 2026 auf 9 Cent. Für die Jahre ab 2027 werden überhaupt keinen CO2-Mautaufschläge festgelegt. Der verbesserte unionsrechtliche Handlungsspielraum bei den externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm wird auch nicht ausgenützt. Dieses Nicht-Ausnützen des Mautpotentials bei CO2, Lärm und Luftverschmutzung sowie die Nichtvalorisierung im nächsten Jahr führt bis 2026 zu einem Einnahmenausfall von jährlich rund 700 Euro Millionen. Inflationsbereinigt sinken auf allen Autobahnstrecken die Lkw-Mauttarife. Ironie am Rande: Österreich hat im Europäischen Rat gegen den Beschluss gestimmt, weil es die Mautaufschläge („Bergaufschlag“) als unzureichend ansah. Denn in Österreich besteht das Transitproblem in besonders belasteten Gebirgsregionen, beispielsweise auf der Inntal- und der Brenner-Autobahn.
Unsere Forderungen:
- Der Schwerverkehr auf Autobahnen muss einen fairen Beitrag zur Klimawende leisten. Der unionsrechtliche Spielraum bei Mautaufschlägen zu CO2, Lärm und Luftverschmutzung muss vollständig ausgenützt werden. Österreich darf kein Geld an Unternehmen verschenken, zumal diese mehrheitlich ihren Sitz außerhalb von Österreich haben sowie schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen aufweisen.
- Mehreinnahmen aus diesen Mautaufschlägen müssen öffentliche Budgets entlasten und für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet werden.
- Jeder Cent mehr bei der Lkw-Maut macht den Transit durch Österreich weniger attraktiv. Eine konsequente Verlagerungspolitik muss jedoch weitere Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören insbesondere effektivere Straßen-Schwerverkehrskontrollen, ein Ausbau der Vorlaufstrecken für den Brenner-Basis-Tunnel in Deutschland und Italien. Lkw-Fahrbeschränkungen sollten der Verkehrssicherheit und Umwelt dienen. Die gleiche Besteuerung von Diesel und Benzin in Hinblick auf ihre CO2-Emissionen, die die Kommission vorgeschlagen hat (= Aufhebung des Dieselprivilegs), würde darüber hinaus Lkw-Umwegverkehre durch Tirol reduzieren.
Franz Greil ist Referent in der Abteilung Umwelt & Verkehr der Arbeiterkammer Wien