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Nachtzüge in Europa: Eine Renaissance mit vielen Hürden

Nachtzüge sind die ökologische Alternative zu Kurz- und Mittelstreckenflügen. Trotzdem war diese Art des Reisens jahrelang im Niedergang. Jetzt wird das Nachtzugangebot in Europa schrittweise wieder erweitert. Es könnte allerdings viel schneller gehen, wären da nicht einige Hürden.

Kaum eine Art zu reisen ist so ökologisch wie der Nachtzug. Flugzeuge stoßen zwischen zehn- und dreißigmal mehr Treibhausgas-Emissionen aus als Nachtzüge – das trifft auch abhängig von der Herkunft des Bahnstroms zu. Trotzdem wurde das Angebot in den letzten Jahrzehnten massiv ausgedünnt. Laut EU-Kommission ist seit 2001 die Anzahl der Nachtzugverbindungen auf ein Drittel des damaligen Angebots geschrumpft.

Seit einiger Zeit ändert sich das aber wieder, das Angebot wird laufend ausgebaut. Hier ist Österreich tatsächlich Vorreiter: Die ÖBB betreiben gut zwei Dutzend Verbindungen, die jährlich von 1,5 Millionen Fahrgästen genutzt werden.

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 geht es jetzt auch im Nightjet von Berlin nach Paris und Brüssel – zuerst dreimal wöchentlich, ab Oktober 2024 täglich. Ab dann gibt es auch eine tägliche Verbindung von Wien nach Paris und Brüssel. Die ÖBB investieren rund 800 Millionen Euro in neue Züge. Die ersten fabrikneuen Nachtzuggarnituren werden auf der Strecke von Wien und Innsbruck nach Hamburg eingesetzt.

Bedeutet das alles, dass jetzt eine Renaissance der Nachtzüge einsetzt? Die Nachfrage wäre durchaus vorhanden, doch der Betrieb von Nachtzügen muss sich auch wirtschaftlich rechnen. Dem stehen derzeit leider noch einige Hindernisse im Weg.

Langsame Amortisation: Während ein Sitz in einem Flugzeug oder Fernzug vier- bis fünfmal pro Tag verkauft werden kann, kann der Platz in einem Nachtzug jeweils nur von einem Fahrgast genutzt werden. Das verlängert die Amortisationsdauer.
Mehr Personal an Bord: Der Betrieb von Nachtzügen ist sehr serviceintensiv. Man benötigt mehr Personal als in Tageszügen. Außerdem werden bei der Entlohnung Nachtzuschläge fällig.
Höhere Kosten für Schienenmaut und Energie: Da Nachtzüge über sehr lange Distanzen unterwegs sind, fallen entsprechend hohe Kosten an Schienenbenützungsgebühr und für den Fahrstrom an.

Um dem Nachtzug endgültig zum Durchbruch zu verhelfen, schlagen die ÖBB vier konkrete Maßnahmen vor:

  1. Senkung der Schienenmaut für Nachtzüge: Das Schienenbenützungsentgelt macht rund zehn bis 20 Prozent der Gesamtkosten aus. Diese Gebühr ist eine wichtige Stellschraube, denn andere Kostenfaktoren (Personal, Rollmaterial, Energie) können nicht gesenkt werden und Fahrpreise sollen nicht erhöht werden. Belgien ist hier vorbildlich. Seit 1. Juli 2023 werden die Kosten für Schienennutzung und Fahrstrom vom Staat rückerstattet.
  2. Unterstützung durch öffentliche Zuschüsse: Neue Zugverbindungen benötigen – speziell in der Anfangsphase – Unterstützung durch öffentliche Gelder. Die sogenannte PSO-Verordnung lässt dies ausdrücklich zu. Leider nutzen nur wenige EU-Staaten (z.B. Österreich) diese Möglichkeit, um Nachtzüge wirtschaftlich lebensfähig zu erhalten.
  3. Fairer Wettbewerbsbedingungen: Der Flugverkehr wird mit zahlreichen Steuerbefreiungen gefördert: Weder für Kerosin noch für internationale Tickets fallen Steuern an. Den EU-Staaten entgingen dadurch allein im Jahr 2022 rund 34 Milliarden Euro an Einnahmen. Während die Bahn für jeden Kilometer Schienenbenutzungsentgelt zahlt (siehe Ausnahme in Belgien), sind Fernbusse auf vielen Straßen von der Maut befreit. All diese systematischen Benachteiligungen der Eisenbahn müssen aufhören!
  4. Maßnahmen gegen Verspätungen: Instandsetzungsarbeiten an Schienen und Streckensperren erfolgen häufig in der Nacht. Davon sind Nachtzüge besonders betroffen, die dann auf Umleitungsstecken und mit großen Verspätungen unterwegs sind. Auch bei Kapazitätsengpässen werden Nachtzüge oft benachteiligt. Hier bedarf es eines professionellen Managements, um weiterhin eine hohe Servicequalität sicherstellen zu können.

Den Nachtzügen sollte die Zukunft gehören. Dazu müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen.

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