In unserem Wahlcheck haben wir analysiert, wie die einzelnen Parteien die Zukunft der Bahn gestalten wollen. Jetzt werfen wir einen genaueren Blick auf das Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition: Welche Pläne gibt es für die Bahninfrastruktur und was bedeutet das für den Bahnverkehr in Österreich? Wir nehmen die Vorhaben unter die Lupe und zeigen, welche konkreten Maßnahmen vorgesehen sind.
Dem Abschnitt „Bahn und Bahninfrastruktur“ widmet das schwarz-rot-pinke Regierungsprogramm immerhin zwei Seiten. Demnach soll Österreich eine zentrale Schnittstelle im europäischen Bahnverkehr werden. Es folgt ein Bekenntnis zum bestehenden Schienen-Infrastruktur-Finanzierungsmodell mittels sechsjährigem Rahmenplan, Zuschussvertrag und Budgetvorbelastungen (Annuitätenmodell). Allerdings werden die vom blau-schwarzen Verhandlungsteam nach Brüssel gemeldeten Einsparungen von der aktuellen Regierung übernommen.
Die Abschaffung des Gratis-Klimatickets für 18-Jährige und Kürzungen bei den Bahnen („cut off support for certain services”) sollen für heuer 440 Millionen Euro an Budgeteinsparungen bringen. Das wird wohl zu Kürzungen beim Rahmenplan und somit beim Ausbau der Schienenstrecken führen. Im Regierungsprogramm wird die Sicherung der kontinuierlichen Finanzierung des ÖBB-Rahmenplans für den Ausbau und Erhalt der ÖBB-Infrastruktur versprochen, ohne allerdings über die konkrete Höhe Auskunft zu geben. Das „Zielnetz 2040“ wurde zwar von der ehemaligen Klimaministerin Gewessler vorgestellt, bekam aber kein Okay vom Finanzministerium. Nun soll es evaluiert, weiterentwickelt und beschlossen werden.
Schienengüterverkehr
Bezüglich der Güterbahnen wird eine verbesserte Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien, sowie mehr Engagement für einen einheitlichen europäischen Bahnraum versprochen. Dadurch erhofft man sich die Beschleunigung beim Ausbau der Brenner-Nordzulaufstrecke in Bayern. In Österreich soll der ETCS-Ausbau forciert werden, um die Kapazitäten rasch steigern zu können (Stichwort: Mehr Züge auf gleicher Strecke). Die derzeit gewährten Zuschüsse für den Bahngüterverkehr sollen fortgeführt werden. Das betrifft auch die digitale Kupplung (=DAK) und den Ausbau von sogenannter Verlagerungschoaches, die die Unternehmen beim Umstieg auf die Schiene unterstützen sollen. Positiv auch, dass es mehr behördenübergreifende Kontrollen beim LKW-Verkehr geben soll. Die Regierung verspricht ein konsequentes Vorgehen gegen wettbewerbsrechtliche Verstöße, Schwarzarbeit, sicherheitsrelevante Vergehen, Lohn- und Sozialdumping.
Personenverkehr
Die Regionalbahnen sowie die Co-Finanzierung des Wiener U-Bahnbaus sind abgesichert. Das Angebot und die Qualität im Personenverkehr sollen verbessert werden, aber auch die Sicherheit auf den Bahnhöfen und in Zügen erhöht werden. Ein Bekenntnis, dass mehr Steuergelder hier fließen werden, sucht man allerdings vergeblich. Bei der Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Eisenbahnverkehren wird die Wahlfreiheit zwischen Direktvergabe und Ausschreibung gewahrt. Es soll also keinen Zwang zu wettbewerblichen Ausschreibungen geben, die ja meist zu Kostendruck und damit zu Sozialabbau und Qualitätseinbußen im Bahnverkehr führen.
Bahnindustrie
Ein echtes Highlight ist, dass der Wirtschaftsfaktor Bahn „Made in Austria“ erkannt und gefördert wird. So will man ein modernes Schienenfahrzeugtest- und Kompetenzzentrum zur Stärkung der Mobilitätsindustrie schaffen. Forschungsaktivitäten und Kooperationen zwischen öffentlicher Hand, tertiären Bildungseinrichtungen (Universitäten und Fachhochschulen), Eisenbahnunternehmen und der Industrie sollen gesteigert werden. Folgerichtig will man die bestehenden Automotive-Cluster zu Mobilitäts- und Forschungsclustern umwandeln. Ziel ist es, Österreich als Weltmarktführer für Bahnsysteme zu positionieren bzw. weiter auszubauen. Regionale Wertschöpfung, die Qualität der Leistungserbringung und die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Standards sollen Priorität bei der Vergabe von Dienstleistungsverträgen und Beschaffungsprozessen sein, insbesondere bei Unternehmungen der öffentlichen Hand. Damit soll sichergestellt werden, dass die Erzeugnisse der heimischen Bahnindustrie auch tatsächlich hierzulande gekauft werden.
Fazit
Zusammenfassend steht die neue Regierung den Eisenbahnen recht wohlwollend gegenüber. Ob sich dieser gute Wille in tatsächliche Finanzierung übersetzen lässt, werden die kommenden Budgetverhandlungen zeigen.
Die Bahnindustrie steht oftmals im Schatten anderer Branchen steht. Dabei trägt sie maßgeblich zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität sowie zur heimischen Wirtschaft bei. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, braucht es jedoch die richtigen politischen Rahmenbedingungen, innovative Strategien und eine verstärkte Fokussierung auf die Bahninfrastruktur. Ein genauer Blick auf die aktuelle Situation und die Herausforderungen der Branche zeigt, wie entscheidend der Ausbau des Schienenverkehrs und die Stärkung der heimischen Bahnindustrie sind.
Einen Tag, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer im Juni 2024 eine Gesprächsrunde über das „Aus zum Verbrenner-Aus“ veranstaltete und dabei erneut das „AutolandÖsterreich“ ausrief, fand der Jahresempfang des Verbandes der Bahnindustrie (VBI) statt. Klimaministerin Leonore Gewessler nutzte daraufhin ihre Begrüßungsworte, um Österreich als „Bahnland“ zu titulieren.
Betrachtet man den Status quo, so haben beide recht. Die in der WKÖ-Fachgruppe „Fahrzeugindustrie“ vertretene Unternehmen beschäftigten im Jahr 2023 36.200 Menschen. In der sogenannten Zulieferindustrie (Maschinenbau, Kunststoffe, Textil, Elektronik) arbeiten weitere 40.100. In der heimischen Bahnindustrie wiederum sind 15.000 Menschen direkt beschäftigt und erwirtschafteten eine Bruttowertschöpfung von etwa 1,6 Milliarden Euro. Mit einer Exportquote von 70 Prozent liegt Österreich in absoluten Zahlen weltweit an 4. Stelle (alle Daten für 2021).
Vorrang für die Bahnindustrie
Derzeit werden 60 Prozent aller Wege mit dem Auto unternommen. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich der Modal Split – laut Mobilitätsmasterplan des Klimaministeriums – bis zum Jahr 2040 umdrehen (60 % Umweltverbund, 40 % PKW). Der öffentliche Verkehr – und hier speziell die Bahn – muss massiv ausgebaut werden. Das ergibt auch zusätzliche Chancen für die heimische Bahnindustrie. Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen es für einen Ausbau braucht, wird aktuell in einer Studie im Auftrag der AK analysiert. Und alles muss mit enger Einbindung von Betriebsrät:innen und Gewerkschaften passieren. Das System Bahn könnte somit zum Startpunkt einer völlig neuen und zukunftsfähigen Industriestrategie werden.
Die heimische Bahnbranche befindet sich allerdings derzeit selbst in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite ist auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Nicht umsonst sprach VBI-Präsident Hannes Broyer „von den Skills der Beschäftigten in der KFZ-Industrie, die wir gerne abwerben möchten“. Andererseits macht sich Unbehagen über Billigkonkurrenz aus Asien breit. So setzt die Westbahn AG Garnituren des chinesischen Konzerns CRRC ein. Daher bräuchte es bei den Ausschreibungen verpflichtende Kriterien einer europäischen Wertschöpfung von mindestens 50 Prozent. Da der Ausbau der Bahnsysteme hauptsächlich über Steuergelder finanziert werde, sollte auch der wirtschaftliche Nutzen vor Ort bleiben. Es wird immer offensichtlicher, dass die Lieferketten kürzer und damit krisenfester werden müssen. Waren es in der Vergangenheit die verspätete Auslieferung von bestellten Siemens-Triebwägen, so stellen aktuell die benötigten Ausrüstungen für die Reparatur der überschwemmten „neuen Westbahn“ ein Problem dar.
Als wirksames Instrument, das der Industrie eine gewisse Planungssicherheit gibt, sind die ÖBB-Rahmenpläne, die den Bahnausbau auf Jahre festschreiben. Diese haben inzwischen auch eine internationale Vorbildfunktion. Die Bahnindustrie kann jedenfalls von der überfälligen Mobilitätswende profitieren, sodass in diese Branche viele neue „green jobs“ entstehen könnten. Die Politik muss nur die richtigen Maßnahmen setzen; sei es beim weiteren Bahnausbau, attraktiven Fahrplänen und neuen Regeln bei der Beschaffung.
In der Güter- und Personenbeförderung auf Straße und Schiene fehlen qualifizierte Arbeitskräfte – vor allem aber fehlt es an Frauen! Warum gibt es auch 2024 immer noch so wenig Frauen hinter dem Lenkrad eines Busses, Lkws oder im Führer:innenstand einer Lok? Welche Ursachen hat die männliche Dominanz in diesem Sektor? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um mehr Frauen für diese Berufe zu gewinnen und die Arbeitsbedingungen dieser Branche insgesamt attraktiver zu gestalten?
Die US-amerikanische Feministin Audre Lorde drückte die Grundschwierigkeit sehr eindrucksvoll aus: „Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns trennen. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede anzuerkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“ Der Kampf um Gendergerechtigkeit in der Verkehrsbranche kann nur erfolgreich geführt werden, wenn die Gründe deutlich werden, warum dieser starke Aufholbedarf bei der Beschäftigung von Frauen besteht. Und dies, obwohl die Branchen generell dringend Arbeitskräfte suchen und viele Unternehmen gezielt versuchen insbesondere Frauen anzuwerben. Die Klimakrise fordert einem ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und hierbei wird der Verkehrssektor eine entscheidende Rolle spielen. Deshalb müssen angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer:innen geschaffen werden, damit sie mitarbeiten können, durch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel den Anteil des Individualverkehrs zu senken, der für einen Großteil des C02-Ausstoßes in Österreich verantwortlich ist. Der Raubbau an der Natur findet seine nahtlose Fortsetzung in der Ausbeutung der Menschen. Es lassen sich nur deshalb so viele Güter konkurrenzlos günstig per Lkw transportieren, weil die Arbeitsbedingungen in der Branche vergleichsweise schlecht sind. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen machen somit unsere Welt gerechter und zugleich ökologischer. Für einen sozialen und ökologischen Umbau muss bei Bus oder Bahn der Beruf für Frauen attraktiver werden.
Busse: Alltägliche Schwierigkeiten und Imagefragen
Die Ursachen, warum die Attraktivierung des Berufsbildes der Busfahrer:in bisher nur unzureichend gelang, sind vielfältig. Selbstverständlich spielen die Arbeitsbedingungen, wie insbesondere die Schichtarbeit, aber auch das Arbeitsumfeld eine große Rolle. Der Beruf der Busfahrerin ist physisch und psychisch anspruchsvoll. Oft sind lange Fahrten, unregelmäßige Arbeitszeiten und sogar Übernachtungen im Bus erforderlich. Diese Aspekte wirken auf viele Frauen abschreckend, da sie eine starke Belastung für das Privat- und Familienleben darstellen. Für Frauen, die oftmals immer noch einen größeren Teil der Familienarbeit übernehmen, kann es schwer sein, die langen Arbeitszeiten und auswärtigen Übernachtungen mit familiären Verpflichtungen zu vereinbaren. Im Verkehrsbereich gibt es bisher nur wenige flexible Arbeitszeitmodelle oder Teilzeitangebote, die es einfacher machen würden, die Familie mit dem Beruf in Einklang zu bringen.
Auch das Image der Branche ist nicht mehr zeitgemäß. Der Beruf des Busfahrers wird immer noch oft als „Männerberuf“ angesehen. Dadurch fühlen sich Frauen abgeschreckt oder haben das Gefühl, dass sie sich in dieser, männerdominierten Umgebung nicht wohlfühlen würden. Traditionelle Rollenvorstellungen und gesellschaftliche Erwartungen spielen hier eine wesentliche Rolle. Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft Sicherheitsbedenken. Übergriffe durch gewalttätige Fahrgäste nehmen zu, auch weil die zunehmende Hitze die Aggressionsbereitschaft steigert. Diese Gefahren stellen eine zusätzliche Hürde für den Beruf dar. Obwohl aktuell konkrete und belastbare Zahlen fehlen, gehen Schätzungen in der Branche davon aus, dass der Frauenanteil bei Busfahrer:innen österreichweit bei bis zu 20 Prozent liegt. Regional bestehen erhebliche Unterschiede, auch ein Stadt-Land-Ungleichgewicht ist feststellbar. Für einen Imagewandel in der Branche braucht es gezielter Werbung und Förderung, die zeigt: Frauen können das, Frauen sollen sich sicher fühlen und Frauen sind hochwillkommen.
Konkrete Verbesserungen müssen her
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen könnte den Frauenanteil erhöhen. Bisher ist es leider so, dass das Fehlen sozialer Infrastruktur wie Pausen- und saubere Sanitärräume dazu führt, dass Frauen nicht einmal in Erwägung ziehen, in diesem Sektor arbeiten zu wollen. Viele Busse, Triebwägen sowie Lkw-Raststätten und Einrichtungen an den Bahnhöfen sind für häufig für Frauen, aber auch für Männer nicht adäquat ausgestattet. Beispielsweise gibt es häufig keine getrennten Sanitäranlagen oder Umkleidemöglichkeiten. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Frauenbeschäftigung Potenzial hat, aber es gibt oft zu wenig greifbare Maßnahmen, um Frauen zu ermutigen oder ihnen die Ausbildung finanziell zu erleichtern.
Mittlerweile gibt es allerdings schon einige Firmen, die sich gezielt dafür einsetzen, Verkehrsberufe für Frauen attraktiver zu gestalten. Sei es durch die Anpassung von Lkw-Ausstattungen, passende Arbeitsschutzbekleidung, gezielte Ausbildungsförderung oder verbesserte Sicherheitskonzepte, um Frauen vor Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Planbare Freizeit und gezielte Werbung können langfristig helfen, zukünftig mehr Frauen für den Verkehrssektor zu begeistern. Die Verkehrsbranchen würden von einer stärkeren Diversität in den Reihen ihrer Fahrer:innen jedenfalls profitieren. Unternehmen, die das bereits erkannt haben, sind auch zunehmend bereit, Schritte in diese Richtung zu gehen – doch eine spürbare Veränderung braucht mehr Impulse, Vorbilder und wohl auch einen langen Atem.
Österreich: Bahnland Nummer eins?
Die Bahn ist fraglos ein wichtiges Instrument im ökologischen und sozialen Umbau. Auch die Bahnbranche leidet unter Fachkräftemangel und zu geringer Attraktivität für Frauen. Mit über 1,5 Millionen Eisenbahner:innen in Europa, lag der durchschnittliche Frauenanteil im europäischen Bahnsektor im Jahr 2023 bei 21,4 Prozent und damit laut Eurostat-Erhebung weit unter der europäischen gesamtwirtschaftlichen Frauenerwerbsquote von 46,5 Prozent. Während in Österreich die Frauenerwerbsquote mit 70,3 Prozent weit über dem europäischen Niveau liegt, arbeiten in den österreichischen Eisenbahnunternehmen nur 12,8 Prozent und nehmen mit diesem Wert zum wiederholten Mal im Vergleich zu 16 europäischen Ländern den letzten Platz ein, wie der „6. Women in Rail Report 2023“ zeigt. Im Gegensatz zu Österreich weisen Länder wie Schweden mit 40 Prozent und die Slowakei mit 35,8 Prozent die höchsten Quoten aus.
„Nicht überall ist Österreich das Bahnland Nummer Eins“, denn bei der Frauenbeschäftigung ist die Bundesbahn europäisches Schlusslicht“, analysiert Olivia Janisch, Bundesfrauenvorsitzende der Verkehrsgewerkschaft vida und zeigt sich gleichzeitig zuversichtlich, dass „es mit Blick auf Schweden und Slowakei jedenfalls möglich ist, mehr Frauen für die Eisenbahnbranche zu begeistern.“ Während im Top Management der österreichischen Bahnen Frauen mit 27,3 Prozent vertreten sind, liegt insbesondere in den eisenbahnspezifischen Berufen, wie beispielsweise in der Fahrdienstleitung (7,9 Prozent), im Lokfahr- (2,7 Prozent) und Zugbegleitdienst (15 Prozent) Österreich im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz. Hürden sind wie bei den Busfahrerinnen auch für die Eisenbahnerinnen unregelmäßige Schichtdienste. Die fehlende betriebliche Kinderbetreuung erschwert zudem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind ebenso schwerwiegende Gründe, weshalb sich Frauen gezwungen sehen, die Branche zu wechseln. Gleichzeitig hakt es auch an vergleichsweise trivialen Arbeitsbedingungen, wie mangelnde Arbeitsschutzbekleidung in passender Größe sowie ausreichende und saubere Sanitäranlagen, wobei letzteres auch für männliche Eisenbahner ein Problem darstellt. Die Eisenbahner:innen betonen allerdings die, aufgrund des vergleichsweise hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades, gute und transparente Entlohnung.
Bahn frei für Frauen – Europäische Sozialpartner einigen sich
Der „Women in Rail Report“ wird seit 2012 erstellt und untersucht 28 Bahnunternehmen aus 21 europäischen Ländern. Er diente als Grundlage für die zähen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern zur Einigung von verbindlichen frauenfördernden Maßnahmen. Ende 2021 wurde das Sozialpartnerabkommen unterzeichnet, das die verbindliche Umsetzung von frauenfördernden Maßnahmen vorsieht. Der Maßnahmenkatalog umfasst die Einführung von Zielquoten, Arbeitszeitflexibilisierung für die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben, Förderung der Karriereentwicklung, Lohntransparenz, Gesundheit und Sicherheit und die Bekämpfung sexueller Belästigung.
Die Bahnbranche ist eine Zukunftsbranche und kann hinsichtlich des demographischen Wandels nicht auf weibliche Talente verzichten. Die Sozialpartner haben nun zwei Jahre Zeit, um die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Innerhalb der ÖBB wurde mit der „Diversity Charta“ festgelegt, den Frauenanteil im Gesamtkonzern von aktuell 14 auf 17 Prozent bis 2026 zu erhöhen. Als einer der größten Lehrlingsausbildner in Österreich, zeichnet sich hier ein positiver Trend ab. Aufgrund aktiver Anwerbung von weiblichen Lehrlingen konnten seit 2019 der Anteil an weiblichen Lehrlingen von 18 auf 21 Prozent gehoben werden.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein für alle Branchen erfolgt nun mit der Umsetzung EU-Lohntransparenzrichtlinie, als wichtiges Instrument, um den Gender-Pay-Gap endlich zu schließen. Nur wenn Politik und Unternehmen den Weg für mehr Frauen in der Transportbranche frei machen, indem sie ihnen eine soziale und faire Beschäftigung ermöglichen, kann der Bus- und Bahnverkehr einen bedeutenden Beitrag zu einer ökologischeren Gesellschaft leisten.
Am 7. Jänner 2025 erschien in „Die Presse“ ein Artikel mit dem Titel „Wo die Freiheitlichen sparen wollen“. Als mögliche Maßnahmen wurde dabei ein Stopp der Bahnoffensive und eine „temporäre Einschränkung des ÖBB-Angebots“ genannt. Doch was bedeutet das konkret?
Stopp der Bahnoffensive
Sechsjährige Investitionskonzepte schaffen in Österreich Planungssicherheit und werden daher in anderen Ländern als vorbildlich angesehen. Der aktuelle ÖBB-Rahmenplan 2024 – 2029 sieht für den Ausbau und für die Instandhaltung des ÖBB-Schienennetzes sowie die Verbesserung der Sicherheit auf der Schiene pro Jahr mehr als drei Milliarden Euro vor.
Viel Geld, das sich aber nur wenig auf das Budget auswirkt. Warum? Die ÖBB Infrastruktur AG leiht sich dafür Geldmittel und der Staat garantiert dafür. Zusätzlich wird pro Jahr ein Dreißigstel dieser auflaufenden Schulden vom Bundesbudget abgedeckt. Aufgrund dieser Hebelwirkung haben Kürzungen beim Rahmenplan nur geringe unmittelbare Auswirkungen auf das Budget. Außerdem wird auf die positiven Effekte der Konjunkturlokomotive Bahn vergessen: Je Milliarde Euro Investitionssumme werden 15.000 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert. Dies stärkt sowohl die Bau- als auch die Bahnindustrie. Hier würde also am falschen Platz gespart werden. Und: Schienen, die man jetzt nicht verlegt, werden in der Zukunft fehlen!
Einschränkung des ÖBB-Angebots
Die Anzahl der verkehrenden Züge zu reduzieren, ist verkehrspolitisch nur schwer nachvollziehbar. Der Trend geht nämlich in eine andere Richtung: 2023 wurde ein Fahrgastrekord verzeichnet. Für 2024 wird ähnliches erwartet. Dementsprechend voll sind die Züge. In dieser Situation, das Bahnangebot einzuschränken, bedeutet mehr Verkehr auf die Straße zu verlagern und damit Staus zu fördern. Zusätzlich werden die Bahnbeschäftigten durch weiter überfüllte Züge belastet. Das geht am Interesse der Eisenbahner:innen und Fahrgäste vorbei und wäre auch umweltpolitisch ein Rückschritt.
Die Gewerkschaft vida und die Arbeiterkammer Wien warnen im Rahmen von „Unsere Bahnen“ vor einem Privatisierungswahn, der in der EU auf die Eisenbahnvergaben zukommen könnte. In Österreich fährt man mit den Direktvergaben bestens. Das untermauert auch eine neue Kurzstudie der Universität zu Köln. „Es ist ein Mythos, dass Wettbewerb und Billigstbieter zu besserer Schienen-Preis-Leistung führen“, heißt es vom Studienautor Prof. Dr. Tim Engartner in einem Pressegespräch: Ein Ausschreibungswettbewerb bringt keinen Kostenvorteil.
Auch der Verkehr werde durch Ausschreibungen nicht vermehrt von der Straße auf die Schiene verlagert. Öffentliche Ausschreibungsverfahren im Bahnsektor sind in Deutschland Usus, in Österreich setzt man auf Direktvergabeverfahren und „das ist gut so“, stellt Engartner fest. Denn Ausschreibungswettbewerbe in Deutschland belegen, dass es so gut wie keine Vorteile gegenüber Direktvergaben gebe. So stehen in Deutschland rund 2,4 Millionen öffentliche Auftragsverfahren Prozesskosten in der Höhe von 19 Mrd. Euro gegenüber.
„Ausschreibungswettbewerb ist sowohl für die Auftraggeber als auch für die Auftragnehmer aufwendiger und kostspieliger und geht somit zu Lasten der Steuerzahler.“
Prof. Dr. Tim Engartner, Universität zu Köln, Studienautor
Direktvergaben seien deutlich kostengünstiger. Zudem käme es zu einem doppelt so hohen Zeitaufwand wie bei Direktvergabeverfahren. Aus Sicht Engartners braucht es auch mehr gezielte Investitionen in den Bahnverkehr. Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich führen hohe Pro-Kopf-Investitionen zu „erfreulichen“ Resultaten für Bahnreisende.
Was würde EU-Ausschreibungswettbewerb für Österreichs Bahnen bedeuten?
Was würde ein Ausschreibungswettbewerb für die erfolgreichen österreichischen Bahnen bedeuten? Welche Szenarien lassen sich aus den Studienergebnissen für die Eisenbahnbeschäftigten und die Fahrgäste ableiten? Welche Faktoren machen die rot-weiß-roten Bahnen zum europaweiten Vorbild? Olivia Janisch, stv. Vorsitzende der Gewerkschaft vida und des vida-Fachbereichs Eisenbahn nimmt zu den Studienergebnissen Stellung.
EU-Kommission bleibt ihrem Liberalisierungsdogma treu
Wie die gemeinwirtschaftlichen Verkehre für alle Menschen in der EU finanziert, organisiert und vergeben werden, ist in der sogenannten PSO-Verordnung geregelt. Für die Bahn ist dabei durch den europäischen Gesetzgeber – Rat und Europäisches Parlament – eine Wahlmöglichkeit zwischen Direktvergabe und wettbewerblicher Ausschreibung vorgesehen, erläutert Janisch. „Die Europäische Kommission hingegen bleibt ihrem Liberalisierungsdogma treu und treibt den schädlichen Ausschreibungswettbewerb voran, obwohl sich in der Europäischen Union die Direktvergabe als Erfolgsmodell bewährt hat und rund 70 Prozent der gemeinwirtschaftlichen Verkehre durch die öffentliche Hand vergeben werden – in Österreich sind es über 80 Prozent der Schienenpersonenverkehre“, kritisiert die vida-Gewerkschafterin.
„Die Direktvergabe stellt sichere Bahnen für alle vor private Profitinteressen – Ausschreibungswettbewerb hingegen findet auf dem Rücken der Eisenbahner:innen statt.“
Olivia Janisch, stv. Vorsitzende der Gewerkschaft vida und des vida-Fachbereichs Eisenbahn
Mehr Wettbewerb auf der Schiene bedeutet weniger Bahn
Die Beispiele aus der Studie „Verfehlte Weichenstellungen in Richtung Wettbewerb – Erfolgskriterien für die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene“ zeigen, dass der Ausschreibungswettbewerb zu einer Schwächung der Bahnen führt: Strecken wurden eingestellt, Investitionen in Infrastruktur und rollendes Material vernachlässigt. Nach allfälligen anfänglichen Vergünstigungen wurden Tickets rasch teurer. Qualität und Umfang der Leistungen, Sauberkeit, Zuverlässigkeit sowie Pünktlichkeit nahmen ab.
Die Fixkosten für konkurrierende Eisenbahnverkehrsunternehmen u.a. für Trassenentgelte, Energie und rollendes Material sind hoch. Gespart werden kann daher nur beim Personal. Das führt, wie man an den Studienergebnissen sehen kann, zu Lohn- und Sozialdumping sowie zu Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften.
„Wer bei Personal und Ausbildung spart, gefährdet die Sicherheit von Beschäftigten und Fahrgästen.“
Olivia Janisch, stv. Vorsitzende der Gewerkschaft vida und des vida-Fachbereichs Eisenbahn
Sparen beim Personal bringt nicht nur aufgrund der höheren Arbeitsbelastung und der generellen personellen Unterdeckung ein höheres Sicherheitsrisiko mit sich. Insbesondere wenn Ausbildungsstandards gesenkt werden, können auch Leib und Leben von Beschäftigten und Fahrgästen gefährdet werden. Einheitliche Ausbildungsrichtlinien sind in der EU dringend erforderlich und müssen die höchsten Standards erfüllen. Nur so lässt sich auch Lohndumping verhindern, eine grenzüberschreitende Anerkennung von Lizenzen gewährleisten und somit die Qualität im Schienenverkehr zum Wohle der Menschen verbessern.
Direktvergabe: Das stabile Rückgrat des öffentlichen Verkehrs
Das System Eisenbahn in Österreich ist ein Erfolgsmodell. Es ist Ausdruck des politischen Willens, den öffentlichen Verkehr zum Wohle der Bevölkerung zu gestalten. Diesen Willen wollen die Beschäftigten und die Menschen im Land weiterhin sehen. Oberste Priorität haben derzeit die dringend nötigen Investitionen ins Personal und das Halten der hohen Ausbildungs- sowie Sicherheitsstandards. Die Erfolgsfaktoren wie der integrierte Konzern, eine langfristig gesicherte Infrastrukturfinanzierung, ausreichende Investitionen in Material sowie die Direktvergabe von Personenverkehrsleistungen dürfen nicht angegriffen werden. „Sie sind das stabile Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Österreich und dürfen nicht am Altar der Liberalisierungsreligion geopfert werden“, bekräftigt Janisch.
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