In unserem Wahlcheck haben wir analysiert, wie die einzelnen Parteien die Zukunft der Bahn gestalten wollen. Jetzt werfen wir einen genaueren Blick auf das Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition: Welche Pläne gibt es für die Bahninfrastruktur und was bedeutet das für den Bahnverkehr in Österreich? Wir nehmen die Vorhaben unter die Lupe und zeigen, welche konkreten Maßnahmen vorgesehen sind.
Dem Abschnitt „Bahn und Bahninfrastruktur“ widmet das schwarz-rot-pinke Regierungsprogramm immerhin zwei Seiten. Demnach soll Österreich eine zentrale Schnittstelle im europäischen Bahnverkehr werden. Es folgt ein Bekenntnis zum bestehenden Schienen-Infrastruktur-Finanzierungsmodell mittels sechsjährigem Rahmenplan, Zuschussvertrag und Budgetvorbelastungen (Annuitätenmodell). Allerdings werden die vom blau-schwarzen Verhandlungsteam nach Brüssel gemeldeten Einsparungen von der aktuellen Regierung übernommen.
Die Abschaffung des Gratis-Klimatickets für 18-Jährige und Kürzungen bei den Bahnen („cut off support for certain services”) sollen für heuer 440 Millionen Euro an Budgeteinsparungen bringen. Das wird wohl zu Kürzungen beim Rahmenplan und somit beim Ausbau der Schienenstrecken führen. Im Regierungsprogramm wird die Sicherung der kontinuierlichen Finanzierung des ÖBB-Rahmenplans für den Ausbau und Erhalt der ÖBB-Infrastruktur versprochen, ohne allerdings über die konkrete Höhe Auskunft zu geben. Das „Zielnetz 2040“ wurde zwar von der ehemaligen Klimaministerin Gewessler vorgestellt, bekam aber kein Okay vom Finanzministerium. Nun soll es evaluiert, weiterentwickelt und beschlossen werden.
Schienengüterverkehr
Bezüglich der Güterbahnen wird eine verbesserte Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien, sowie mehr Engagement für einen einheitlichen europäischen Bahnraum versprochen. Dadurch erhofft man sich die Beschleunigung beim Ausbau der Brenner-Nordzulaufstrecke in Bayern. In Österreich soll der ETCS-Ausbau forciert werden, um die Kapazitäten rasch steigern zu können (Stichwort: Mehr Züge auf gleicher Strecke). Die derzeit gewährten Zuschüsse für den Bahngüterverkehr sollen fortgeführt werden. Das betrifft auch die digitale Kupplung (=DAK) und den Ausbau von sogenannter Verlagerungschoaches, die die Unternehmen beim Umstieg auf die Schiene unterstützen sollen. Positiv auch, dass es mehr behördenübergreifende Kontrollen beim LKW-Verkehr geben soll. Die Regierung verspricht ein konsequentes Vorgehen gegen wettbewerbsrechtliche Verstöße, Schwarzarbeit, sicherheitsrelevante Vergehen, Lohn- und Sozialdumping.
Personenverkehr
Die Regionalbahnen sowie die Co-Finanzierung des Wiener U-Bahnbaus sind abgesichert. Das Angebot und die Qualität im Personenverkehr sollen verbessert werden, aber auch die Sicherheit auf den Bahnhöfen und in Zügen erhöht werden. Ein Bekenntnis, dass mehr Steuergelder hier fließen werden, sucht man allerdings vergeblich. Bei der Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Eisenbahnverkehren wird die Wahlfreiheit zwischen Direktvergabe und Ausschreibung gewahrt. Es soll also keinen Zwang zu wettbewerblichen Ausschreibungen geben, die ja meist zu Kostendruck und damit zu Sozialabbau und Qualitätseinbußen im Bahnverkehr führen.
Bahnindustrie
Ein echtes Highlight ist, dass der Wirtschaftsfaktor Bahn „Made in Austria“ erkannt und gefördert wird. So will man ein modernes Schienenfahrzeugtest- und Kompetenzzentrum zur Stärkung der Mobilitätsindustrie schaffen. Forschungsaktivitäten und Kooperationen zwischen öffentlicher Hand, tertiären Bildungseinrichtungen (Universitäten und Fachhochschulen), Eisenbahnunternehmen und der Industrie sollen gesteigert werden. Folgerichtig will man die bestehenden Automotive-Cluster zu Mobilitäts- und Forschungsclustern umwandeln. Ziel ist es, Österreich als Weltmarktführer für Bahnsysteme zu positionieren bzw. weiter auszubauen. Regionale Wertschöpfung, die Qualität der Leistungserbringung und die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Standards sollen Priorität bei der Vergabe von Dienstleistungsverträgen und Beschaffungsprozessen sein, insbesondere bei Unternehmungen der öffentlichen Hand. Damit soll sichergestellt werden, dass die Erzeugnisse der heimischen Bahnindustrie auch tatsächlich hierzulande gekauft werden.
Fazit
Zusammenfassend steht die neue Regierung den Eisenbahnen recht wohlwollend gegenüber. Ob sich dieser gute Wille in tatsächliche Finanzierung übersetzen lässt, werden die kommenden Budgetverhandlungen zeigen.