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Mobilitätswende ein­ge­bremst – Budget­konsolidierung im Verkehrs­bereich

Mobilitätswende ein­ge­bremst – Budget­konsolidierung im Verkehrs­bereich

Die österreichische Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zu einem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zur Einhaltung der Klimaziele. Doch ein Blick auf das Budget für 2025 und 2026 offenbart Widersprüche: Einsparungen bei der Bahn, steigende Kosten für klimafreundliche Mobilität und ein Rückzug aus Förderprogrammen. Andererseits werden 750 Millionen an Transitentschädigung (= erhöhte Lkw-Maut) buchstäblich auf der Straße liegen gelassen. 

Lasst die Zahlen sprechen!

Da ein Budget eine in Zahlen gegossene Politik darstellt, werden hier die Budgetdaten herangezogen, um die daraus folgende Verkehrspolitik zu beurteilen.

Viel Aufregung gibt es rund um das Klimaticket. Einerseits wird das Gratisticket für 18-Jährige eingestellt und auf der anderen Seite das Klimaticket Österreich (KTÖ) mehr kosten. Nachdem es schon mit Jahresbeginn um 7,7 Prozent verteuert worden ist, sollen im August 2025 und im Jänner 2026 weitere Preissprünge folgen. Danach wird die Classic-Version 1.400 Euro kosten.

Auch wenn dies im Wesentlichen eine Nachholung der seit Einführung des Klimatickets 2021 nicht erfolgten Anpassung an die Inflation darstellt, stellen sich Fragen nach der Sinnhaftigkeit. Bisher war das KTÖ mit 330.000 Kund:innen eine Erfolgsgeschichte. Das könnte sich jetzt ändern. Denn rund zwei Drittel dieser Fahrgäste haben Öffi-Kosten, die unterhalb des KTÖ-Preises liegen. Diese Kund:innengruppe ist vom einfachen und universellen Prinzip des Klimatickets so überzeugt, dass sie es faktisch querfinanziert. Es ist zu befürchten, dass viele bisherige Nutzer:innen durch die wiederholten Preiserhöhungen abgeschreckt werden und auf billigere Fahrscheinarten umsteigen. Was die öffentliche Hand bei der Tariferhöhung einnimmt, könnte sie auf der anderen Seite an Deckungsbeiträgen verlieren. Die angepeilten Budgeterlöse sind also mehr als fraglich. Für Lehrlinge, die zu Ausbildungszwecken in andere Bundesländer pendeln müssen, gibt es nun fünf Millionen Euro extra.

Da viele Verkehrsverbünde auch bei den regionalen Klimatickets preislich nachziehen werden, wird sich für viele Menschen das Pendeln mit den Öffis verteuern. Den meisten von ihnen wird die Verdreifachung des Pendlereuros nicht helfen, denn die Nutznießer:innen sind zu mehr als drei Viertel Autofahrer:innen. Beim Pendlereuro handelt es sich um einen Absetzbetrag: Er reduziert also direkt die zu zahlende Steuer. Das ist viel gerechter als das klassische Pendlerpauschale, welches als Freibetrag die Steuerbemessungsgrundlage senkt und damit den Besserverdienenden überproportional zugutekommt. Mit der Erhöhung des Pendlereuros soll der Wegfall des Klimabonus teilweise kompensiert werden. Mittels Klimabonus wurde ja die steigende CO2-Bepreisung fossiler Energie rückverteilt. Allerdings liegen die aktuellen Treibstoffpreise auf demselben Niveau wie vor dreieinhalb Jahren. Bei Menschen, die mit Gas heizen (müssen), sieht die Lage anders aus: Sie zahlen immer noch höhere Preise, die aber künftig nicht kompensiert werden.

Gebremster Bahnausbau

Ausbau und Modernisierung des ÖBB-Netzes wird in sechsjährigen Rahmenplänen definiert und laufend fortgeschrieben. Waren für den Zeitraum 2024 bis 2029 noch 21,1 Mrd. Euro vorgesehen, so wird dies für die Periode 2025 bis 2030 auf immer noch beeindruckende 19,7 Mrd. Euro abgesenkt. Manche Projekte werden verschoben, was bei der aktuellen Budgetlage durchaus verständlich ist. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass dabei auch relativ kostengünstige, aber arbeitsintensive Verbesserungen an Regionalbahnlinien verzögert werden. Hier könnten nämlich viele Jobs geschaffen werden. Wirklich problematisch sind jedoch die Pläne, den Betrieb von drei Regionalbahnen in Oberösterreich (Mühlkreisbahn zwischen Rottenegg und Aigen-Schlägl, Almtalbahn, Hausruckbahn) sowie der Thermenbahn in der Steiermark infrage zu stellen. Gerne würden die ÖBB die Strecken an die Bundesländer abgeben. Dazu laufen derzeit Verhandlungen, alternativ sollen Busse angeboten werden. Die Zeiten von Bahnschließungen sollten aber eigentlich der Vergangenheit angehören, da Regionalbahnen das Mobilitätsrückgrat im ländlichen Raum darstellen.

Doch nicht nur bei der Infrastruktur soll gespart werden, sondern auch beim Bahnverkehr selbst. Mittels sogenannter Verkehrsdiensteverträge bestellt der Bund bei den Eisenbahnunternehmen jene Verkehre, die nicht kostendeckend gefahren werden können. 2026 soll es dafür 93,3 Millionen Euro weniger geben. Das wird vermutlich eine spürbare Ausdünnung der Fahrpläne – sowohl in Tagesrandzeiten als auch bei den beliebten und international anerkannten Nightjets – nach sich ziehen. Die ÖBB werden aber nicht nur weniger Abgeltung für ihre Tätigkeit erhalten, sondern noch heuer eine Sonderdividende in Höhe von 80 Millionen Euro abführen müssen. Die Maßnahmen zeigen, dass es zu einer merklichen Abbremsung der Mobilitätswende kommen wird.

Die Ankündigung der Bundesregierung und der ÖBB, dass es keine Einsparungen bei den Bahnbeschäftigten geben soll, ist essenziell für einen gut funktionierenden Schienenverkehr. Die massive Anzahl von 4,5 Millionen geleisteten Überstunden der Bahnbeschäftigten sowie der Generationenwechsel erfordern nämlich eine Ausbildungsoffensive für die Bahnbranche und den öffentlichen Verkehr. Das ist positiv und wird zu überprüfen sein. Ein weiterer Lichtblick ist die „Offensive sauberes Österreich“, durch die der Verschub bei den Güterbahnen finanziell unterstützt wird.

Geld wäre vorhanden!

Auch die Mittel des Klima- und Energiefonds (KLIEN) sollen umfassend gekürzt werden, was unter anderem auch die Förderung von Elektromobilität betrifft. Dass die Normverbrauchsabgabe für Klein-Lkw und Pick-ups gestrichen wurde, gleichzeitig aber die motorbezogene Versicherungssteuer für Elektro-Pkw eingeführt wird, sorgt für einen bitteren Nachgeschmack. Ebenso, dass sich Österreich 800 Millionen an Mauteinnahmen als Transitentschädigung entgehen lässt. Hier wird immerhin die CO2-Bepreisung um 50 Millionen Euro angehoben. Bund, Länder und ASFINAG nahmen 2021 aus Verkehrsstrafen 400 Millionen Euro ein. Bessere Kontrollen (z. B. im Schwerverkehr), Beseitigung von „Straftoleranzen“ sowie eine Valorisierung – seit 2009 unverändert (!) – können zu beträchtlichen Mehreinnahmen führen. Eine weitere halbe Milliarde Euro würde die flächendeckende Lkw-Maut bringen. Das Geld liegt also förmlich auf der Straße! Es müsste nur abgeholt werden und in die Mobilitätswende investiert werden.

Dieser Artikel erschien zuerst im A&W Blog. Autorenschaft: Heinz Högelsberger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung
Vier Regionalbahnlinien in Gefahr!

Vier Regionalbahnlinien in Gefahr!

Der öffentliche Verkehr spielt eine zentrale Rolle für die Mobilität in ländlichen Regionen und auf Österreichs Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere Regionalbahnlinien verbinden kleine Städte und Gemeinden und schaffen wichtige Verkehrsachsen für Pendler:innen. Trotz dieser Bedeutung sind mehrere Regionalbahnlinien im neuen Rahmenplan des ÖBB-Netzes aktuell gefährdet.

Der Ausbau und die Modernisierung des ÖBB-Netzes werden in sechsjährigen Rahmenplänen definiert und kontinuierlich fortgeschrieben. Für den Zeitraum 2024–2029 waren dafür 21,1 Mrd. Euro vorgesehen. Für die Periode 2025-2030 wurde diese Summe auf 19,7 Mrd. Euro reduziert. Zwar handelt es sich noch immer um eine beachtliche Summe, dennoch steht dem Bahnausbau und der Bahnindustrie insgesamt weniger Geld zur Verfügung – mit der Folge, dass Projekte verschoben werden müssen.

Besonders unverständlich scheint diese Vorgehensweise bei den relativ kostengünstig, jedoch arbeitsintensiven Verbesserungen an Regionalbahnlinien, wie etwa bei notwendigen Elektrifizierungsarbeiten. Gerade hier könnten viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Wer glaubt, die Zeiten des Regionalbahnsterbens seien endgültig vorbei und die wenigen verbliebenen Linien würden gesichert und aufgewertet, irrt sich: Im neuen Rahmenplan stehen vier Linien auf der Kippe – ihr Weiterbestand soll nun ‚evaluiert‘ werden.

  • Mühlkreisbahn (Oberösterreich): Diese startet in Linz-Urfahr. Anstatt sie – nach jahrzehntelanger Diskussion – bis zum Hauptbahnhof zu verlängern (die dafür notwendige Donaubrücke wurde bereits neu errichtet), soll sie bei Rottenegg gekappt werden. Der Streckenabschnitt nach Aigen-Schlägl soll stillgelegt werden. Damit würde eine weitere Bezirkshauptstadt – nämlich Rohrbach – vom Schienennetz abgeschnitten. Das wäre eine erhebliche Verschlechterung für Pendler:innen aus dem Mühlviertel
  • Almtalbahn (Oberösterreich): Diese Linie erschließt das Almtal zwischen Wels und Grünau. Im Einzugsgebiet leben rund 25.000 Menschen. Auch zahlreiche Unternehmen, wie etwa Fronius, sind hier angesiedelt.
  • Hausruckbahn (Oberösterreich): Diese Bahnlinie verbindet die Bahnknoten Attnang-Puchheim, Ried und Schärding und erfüllt damit – etwa für Ausweichverkehre – eine wichtige Funktion im Netz. Zudem wird der Bahnhof Ried derzeit modernisiert und aufgewertet. Laut Zielnetz 2040 soll die ‚Neue Innkreisbahn‘ von Wels kommend in der Nähe von Ried Richtung München führen. Vor diesem Hintergrund wäre es ein Schildbürgerstreich, ausgerechnet mögliche Zulaufstrecken für diese geplante Schnellverbindung stillzulegen.
  • Thermenbahn (Steiermark): Der Abschnitt Friedberg–Fehring ist derzeit akut gefährdet – und dass, obwohl in den vergangenen Jahren über 30 Millionen Euro in seine Attraktivierung investiert wurden. Neben dieser Verschwendung öffentlicher Mittel droht auch die Abkoppelung der Bezirkshauptstadt Hartberg und des Regionalzentrums Fürstenfeld vom Bahnnetz.

Diese vier Regionalbahnen stehen auf der Abschussliste – und mit ihnen wichtige Anbindungen für Regionen abseits der Zentren. Gerade vor dem Hintergrund klimafreundlicher Mobilität und regionaler Entwicklung sollten solche Entscheidungen mit besonderer Sorgfalt getroffen werden.

„Die Mobilitätswende produzieren“ – eine AK-Studie über die heimische Bahnindustrie

„Die Mobilitätswende produzieren“ – eine AK-Studie über die heimische Bahnindustrie

Um die Fahrzeuge und Infrastruktur für die Mobilitätswende zu produzieren, braucht es einen industriepolitischen Plan. Die heimische Bahnindustrie ist der „hidden champion“ der österreichischen Volkswirtschaft und hat enormes Potential. Eine AK-Studie erhebt, wie wir die nötige Infrastruktur, Schienenfahrzeuge und Busse in Österreich selbst produzieren können.

Chancen für Industrie und Klimaziele 

In der Debatte um die Industrierezession weitgehend unbemerkt entwickelt sich die heimische Bahnindustrie zu einer stillen Heldin: Österreich war im Jahr 2021 mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro weltweit viertgrößter Exporteur von Gütern der Bahnindustrie. Zahlreiche Unternehmen sind Weltmarktführer in ihrem Bereich. Ihr Erfolgsrezept? Die 15.000 direkt in der Bahnindustrie Beschäftigten sind gut qualifiziert und in hohem Maß gewerkschaftlich organisiert. Das schafft attraktive und sichere Arbeitsbedingungen. Durch öffentliche Investitionen kann die Bahnindustrie langfristig planen.

Österreichs größtes Hindernis auf dem Weg zu den Klimazielen ist nach wie vor der Verkehrssektor. Die Abkehr von Auto ist nur möglich, wenn es attraktive Alternativen gibt. Der öffentliche Verkehr muss also massiv ausgebaut werden. Unzählige Kilometer an Schienen müssen produziert und verlegt, neue Züge gebaut werden. Beides leistet die in Österreich stark vertretene Bahnindustrie. Auf dem Weg zu den Klimazielen ist sie unsere Lokomotive.  Die heimische Bahnindustrie hat großes Potenzial, die für die Mobilitätswende notwendigen Güter in der erforderlichen Stückzahl zu erzeugen und zahlreiche qualitativ hochwertige Industriearbeitsplätze zu schaffen. Österreich könnte die Bahnfabrik Europas werden, wenn es den dafür nötigen Plan entwickelt und umsetzt.

AK-Studie „Die Mobilitätswende produzieren“ 

Um das Potenzial der heimischen Bahnindustrie auszuloten, hat die AK eine umfassende Studie bei der Johannes-Kepler-Universität in Auftrag gegeben. Darin werden (1) Geschichte und Struktur der Bahnbranche analysiert und (2) der volkswirtschaftliche Nutzen des Bahnausbaus mittels Input-Output-Analysen kalkuliert. (3) Qualitative Interviews mit Manager:innen und Betriebsrät:innen, zeigen deren Einschätzung der Lage sowie Strategien für die Zukunft. (4) Ein Teilprojekt beschäftigt sich auch mit der Frage, ob der Kfz-Standort Steyr auch für die Produktion von Elektrobussen genutzt werden könnte.

Das Ergebnis der Studie: Österreich könnte zum Bahnproduzenten Europas werden, wenn die gigantischen europäischen Verkehrsziele ernst genommen werden und eine industriepolitische Strategie zu deren Umsetzung entwickelt wird. Es wäre also im österreichischen Interesse, die Eisenbahnindustrie auf europäischer Ebene zu forcieren.

Damit die skizzierten Möglichkeiten auch tatsächlich genutzt werden können, muss sich eine neue Regierung zu einer nachfrageseitigen Industriepolitik bekennen. Den größten Hebel gibt es bei der öffentlichen Beschaffung, die regionale bzw. europäische Wertschöpfung zur Bedingung macht, und soziale und ökologische Kriterien vorschreibt. Die Bahnindustrie verdient eine zielgerichtete Unterstützung durch eine Innovationsstrategie, in der Unternehmen, Universitäten, Verwaltung und Förderinstitutionen eng kooperieren. Konkrete und regionale Konzepte sind dann erfolgreich, wenn sie gemeinsam mit der Belegschaft erarbeitet wurden. Die vorhandene Schwarmintelligenz und das Know-how der Beschäftigten spielen bei Umstrukturierungen eine große Rolle. Durch staatliche Beteiligungen über die ÖBAG (Österreichische Beteiligungs AG) könnten strategisch wichtige Betriebe als Produzenten der Mobilitätswende genutzt werden. Für den Ausbau der Bahnnetze braucht es Investitionen: Es darf keine massiven Kürzungen beim „Zielnetz 2040“ und bei den ÖBB-Rahmenplänen geben, denn das würde unsere gut aufgestellte Bahnindustrie schwächen.  Die Berechnungen der Studie ergeben, dass durch Investitionen im Umfang des Zielnetz 2040 bis zu 24,4 Mrd. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung sowie bis zu 230.000 Jahresarbeitsplätze über den Investitionszeitraum generiert werden können. Der Wertschöpfungsmultiplikator von 1,20 zeigt, dass öffentliche Investitionen in diesen Bereich starke ökonomische Hebelwirkungen entfalten. Diese Effekte sind deshalb so wirkungsvoll, weil die Investitionen in vielen anderen Branchen zusätzliche Wertschöpfung anstoßen. Bei einem Auftragsvolumen von einer Milliarde Euro in Rollmaterial entstehen wiederum 4.000 neue Industriearbeitsplätze.

Es braucht also ein Gesamtpaket gut abgestimmter Maßnahmen, welches die Beschäftigten und ihr Recht auf gute und nachhaltige Mobilität in den Mittelpunkt stellt. Die Stärkung der Bahnindustrie bedeutet, den Ausbau klimafreundlicher Infrastrukturen für das gute Leben für alle auch produktionsseitig sicherzustellen. Damit setzt die AK den Verzichtsdebatten mit erhobenem Zeigefinger und dem Verteilungskampf von oben unter dem Schleier der Wettbewerbsfähigkeit etwas entgegen: eine Wirtschaftspolitik für die Vielen.

Forderungen der AK 

  • Nachfrageseitige Industriepolitik: Die Bahnindustrie durch öffentliche Beschaffung stärken. Diese soll an soziale und ökologische Kriterien geknüpft werden und einen Mindestanteil an europäischer Wertschöpfung vorsehen („local content“-Auflagen). Kürzere Lieferketten sind auch weniger störanfällig.
  • Europäische Finanzierung: Die AK fordern eine Ausnahme von den Fiskalregeln für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sowie eine Aufstockung des EU-Budgets.
  • Verkehrspolitische Ziele (=Mobilitätsmasterplan) nicht aufweichen: Der öffentliche Verkehr muss weiter ausgebaut werden. Eine Gegenfinanzierung gäbe es mit einer flächendeckenden LKW-Maut und über eine Ausschöpfung der Wegekostenrichtlinie, die 800 Mio. Euro zusätzlich bringen würde.
  • Im Rahmen der angekündigten Industriestrategie soll die Bundesregierung aktiv die gezielte Kooperation von Unternehmen, Universitäten, Verwaltung und Förderinstitutionen in Industrieregionen für die Bahnwirtschaft forcieren.
  • Instrumente der öffentlichen Beteiligung an Industrieunternehmen nutzen: Strategisches öffentliches Eigentum kann zum Erhalt der industriellen Basis oder zur Entwicklung von Schlüsselindustrien für die Mobilitätswende dienen.
  • Arbeitsplätze und Menschen zusammenbringen: Es braucht eine Ausbildungsoffensive für die Bahn, sowie die gezielte Förderung von Frauen und älteren Arbeitnehmer:innen, Begrenzung Leiharbeit in der Industrie. Durch gezielte Betriebsansiedlungen sollten „die Jobs zu den Menschen kommen“ – und nicht umgekehrt.

Landkarte der österreichischen Bahnindustrie (Darstellung von Julia Stern, Zahlen aus dem Austrian Rail Report des Verbands der Bahnindustrie, 2023):

Beschäftigungseffekt nach Sektoren (Mobilitätswende produzieren): 

Weiterführende Links:

Studie „Mobilitätswende produzieren“

AW-Blog: Zug um Zug: So wird Österreich zur Bahnfabrik Europas

Die Zukunft der Eisenbahn: Was steht im neuen Regierungsprogramm?

Die Zukunft der Eisenbahn: Was steht im neuen Regierungsprogramm?

In unserem Wahlcheck haben wir analysiert, wie die einzelnen Parteien die Zukunft der Bahn gestalten wollen. Jetzt werfen wir einen genaueren Blick auf das Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition: Welche Pläne gibt es für die Bahninfrastruktur und was bedeutet das für den Bahnverkehr in Österreich? Wir nehmen die Vorhaben unter die Lupe und zeigen, welche konkreten Maßnahmen vorgesehen sind.

Dem Abschnitt „Bahn und Bahninfrastruktur“ widmet das schwarz-rot-pinke Regierungsprogramm immerhin zwei Seiten. Demnach soll Österreich eine zentrale Schnittstelle im europäischen Bahnverkehr werden. Es folgt ein Bekenntnis zum bestehenden Schienen-Infrastruktur-Finanzierungsmodell mittels sechsjährigem Rahmenplan, Zuschussvertrag und Budgetvorbelastungen (Annuitätenmodell). Allerdings werden die vom blau-schwarzen Verhandlungsteam nach Brüssel gemeldeten Einsparungen von der aktuellen Regierung übernommen.

Die Abschaffung des Gratis-Klimatickets für 18-Jährige und Kürzungen bei den Bahnen („cut off support for certain services”) sollen für heuer 440 Millionen Euro an Budgeteinsparungen bringen. Das wird wohl zu Kürzungen beim Rahmenplan und somit beim Ausbau der Schienenstrecken führen. Im Regierungsprogramm wird die Sicherung der kontinuierlichen Finanzierung des ÖBB-Rahmenplans für den Ausbau und Erhalt der ÖBB-Infrastruktur versprochen, ohne allerdings über die konkrete Höhe Auskunft zu geben. Das „Zielnetz 2040“ wurde zwar von der ehemaligen Klimaministerin Gewessler vorgestellt, bekam aber kein Okay vom Finanzministerium. Nun soll es evaluiert, weiterentwickelt und beschlossen werden.

Schienengüterverkehr

Bezüglich der Güterbahnen wird eine verbesserte Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien, sowie mehr Engagement für einen einheitlichen europäischen Bahnraum versprochen. Dadurch erhofft man sich die Beschleunigung beim Ausbau der Brenner-Nordzulaufstrecke in Bayern. In Österreich soll der ETCS-Ausbau forciert werden, um die Kapazitäten rasch steigern zu können (Stichwort: Mehr Züge auf gleicher Strecke). Die derzeit gewährten Zuschüsse für den Bahngüterverkehr sollen fortgeführt werden. Das betrifft auch die digitale Kupplung (=DAK) und den Ausbau von sogenannter Verlagerungschoaches, die die Unternehmen beim Umstieg auf die Schiene unterstützen sollen. Positiv auch, dass es mehr behördenübergreifende Kontrollen beim LKW-Verkehr geben soll. Die Regierung verspricht ein konsequentes Vorgehen gegen wettbewerbsrechtliche Verstöße, Schwarzarbeit, sicherheitsrelevante Vergehen, Lohn- und Sozialdumping.

Personenverkehr

Die Regionalbahnen sowie die Co-Finanzierung des Wiener U-Bahnbaus sind abgesichert. Das Angebot und die Qualität im Personenverkehr sollen verbessert werden, aber auch die Sicherheit auf den Bahnhöfen und in Zügen erhöht werden. Ein Bekenntnis, dass mehr Steuergelder hier fließen werden, sucht man allerdings vergeblich. Bei der Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Eisenbahnverkehren wird die Wahlfreiheit zwischen Direktvergabe und Ausschreibung gewahrt. Es soll also keinen Zwang zu wettbewerblichen Ausschreibungen geben, die ja meist zu Kostendruck und damit zu Sozialabbau und Qualitätseinbußen im Bahnverkehr führen.

Bahnindustrie

Ein echtes Highlight ist, dass der Wirtschaftsfaktor Bahn „Made in Austria“ erkannt und gefördert wird. So will man ein modernes Schienenfahrzeugtest- und Kompetenzzentrum zur Stärkung der Mobilitätsindustrie schaffen. Forschungsaktivitäten und Kooperationen zwischen öffentlicher Hand, tertiären Bildungseinrichtungen (Universitäten und Fachhochschulen), Eisenbahnunternehmen und der Industrie sollen gesteigert werden. Folgerichtig will man die bestehenden Automotive-Cluster zu Mobilitäts- und Forschungsclustern umwandeln. Ziel ist es, Österreich als Weltmarktführer für Bahnsysteme zu positionieren bzw. weiter auszubauen. Regionale Wertschöpfung, die Qualität der Leistungserbringung und die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Standards sollen Priorität bei der Vergabe von Dienstleistungsverträgen und Beschaffungsprozessen sein, insbesondere bei Unternehmungen der öffentlichen Hand. Damit soll sichergestellt werden, dass die Erzeugnisse der heimischen Bahnindustrie auch tatsächlich hierzulande gekauft werden.

Fazit

Zusammenfassend steht die neue Regierung den Eisenbahnen recht wohlwollend gegenüber. Ob sich dieser gute Wille in tatsächliche Finanzierung übersetzen lässt, werden die kommenden Budgetverhandlungen zeigen.

Österreichs Bahnindustrie – ein „Hidden Champion“

Österreichs Bahnindustrie – ein „Hidden Champion“

Die Bahnindustrie steht oftmals im Schatten anderer Branchen steht. Dabei trägt sie maßgeblich zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität sowie zur heimischen Wirtschaft bei. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, braucht es jedoch die richtigen politischen Rahmenbedingungen, innovative Strategien und eine verstärkte Fokussierung auf die Bahninfrastruktur. Ein genauer Blick auf die aktuelle Situation und die Herausforderungen der Branche zeigt, wie entscheidend der Ausbau des Schienenverkehrs und die Stärkung der heimischen Bahnindustrie sind.

Einen Tag, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer im Juni 2024 eine Gesprächsrunde über das „Aus zum Verbrenner-Aus“ veranstaltete und dabei erneut das „Autoland Österreich“ ausrief, fand der Jahresempfang des Verbandes der Bahnindustrie (VBI) statt. Klimaministerin Leonore Gewessler nutzte daraufhin ihre Begrüßungsworte, um Österreich als „Bahnland“ zu titulieren.

Betrachtet man den Status quo, so haben beide recht. Die in der WKÖ-Fachgruppe „Fahrzeugindustrie“ vertretene Unternehmen beschäftigten im Jahr 2023 36.200 Menschen. In der sogenannten Zulieferindustrie (Maschinenbau, Kunststoffe, Textil, Elektronik) arbeiten weitere 40.100. In der heimischen Bahnindustrie wiederum sind 15.000 Menschen direkt beschäftigt und erwirtschafteten eine Bruttowertschöpfung von etwa 1,6 Milliarden Euro. Mit einer Exportquote von 70 Prozent liegt Österreich in absoluten Zahlen weltweit an 4. Stelle (alle Daten für 2021).

Vorrang für die Bahnindustrie

Derzeit werden 60 Prozent aller Wege mit dem Auto unternommen. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich der Modal Split – laut Mobilitätsmasterplan des Klimaministeriums – bis zum Jahr 2040 umdrehen (60 % Umweltverbund, 40 % PKW). Der öffentliche Verkehr – und hier speziell die Bahn – muss massiv ausgebaut werden. Das ergibt auch zusätzliche Chancen für die heimische Bahnindustrie. Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen es für einen Ausbau braucht, wird aktuell in einer Studie im Auftrag der AK analysiert. Und alles muss mit enger Einbindung von Betriebsrät:innen und Gewerkschaften passieren. Das System Bahn könnte somit zum Startpunkt einer völlig neuen und zukunftsfähigen Industriestrategie werden.

Die heimische Bahnbranche befindet sich allerdings derzeit selbst in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite ist auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Nicht umsonst sprach VBI-Präsident Hannes Broyer „von den Skills der Beschäftigten in der KFZ-Industrie, die wir gerne abwerben möchten“. Andererseits macht sich Unbehagen über Billigkonkurrenz aus Asien breit. So setzt die Westbahn AG Garnituren des chinesischen Konzerns CRRC ein. Daher bräuchte es bei den Ausschreibungen verpflichtende Kriterien einer europäischen Wertschöpfung von mindestens 50 Prozent. Da der Ausbau der Bahnsysteme hauptsächlich über Steuergelder finanziert werde, sollte auch der wirtschaftliche Nutzen vor Ort bleiben. Es wird immer offensichtlicher, dass die Lieferketten kürzer und damit krisenfester werden müssen. Waren es in der Vergangenheit die verspätete Auslieferung von bestellten Siemens-Triebwägen, so stellen aktuell die benötigten Ausrüstungen für die Reparatur der überschwemmten „neuen Westbahn“ ein Problem dar.

Als wirksames Instrument, das der Industrie eine gewisse Planungssicherheit gibt, sind die ÖBB-Rahmenpläne, die den Bahnausbau auf Jahre festschreiben. Diese haben inzwischen auch eine internationale Vorbildfunktion. Die Bahnindustrie kann jedenfalls von der überfälligen Mobilitätswende profitieren, sodass in diese Branche viele neue „green jobs“ entstehen könnten. Die Politik muss nur die richtigen Maßnahmen setzen; sei es beim weiteren Bahnausbau, attraktiven Fahrplänen und neuen Regeln bei der Beschaffung.

Der Verkehrssektor braucht mehr qualifizierte Frauen

Der Verkehrssektor braucht mehr qualifizierte Frauen

In der Güter- und Personenbeförderung auf Straße und Schiene fehlen qualifizierte Arbeitskräfte – vor allem aber fehlt es an Frauen! Warum gibt es auch 2024 immer noch so wenig Frauen hinter dem Lenkrad eines Busses, Lkws oder im Führer:innenstand einer Lok? Welche Ursachen hat die männliche Dominanz in diesem Sektor? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um mehr Frauen für diese Berufe zu gewinnen und die Arbeitsbedingungen dieser Branche insgesamt attraktiver zu gestalten?

Die US-amerikanische Feministin Audre Lorde drückte die Grundschwierigkeit sehr eindrucksvoll aus: „Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns trennen. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede anzuerkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“ Der Kampf um Gendergerechtigkeit in der Verkehrsbranche kann nur erfolgreich geführt werden, wenn die Gründe deutlich werden, warum dieser starke Aufholbedarf bei der Beschäftigung von Frauen besteht. Und dies, obwohl die Branchen generell dringend Arbeitskräfte suchen und viele Unternehmen gezielt versuchen insbesondere Frauen anzuwerben. Die Klimakrise fordert einem ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und hierbei wird der Verkehrssektor eine entscheidende Rolle spielen. Deshalb müssen angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer:innen geschaffen werden, damit sie mitarbeiten können, durch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel den Anteil des Individualverkehrs zu senken, der für einen Großteil des C02-Ausstoßes in Österreich verantwortlich ist. Der Raubbau an der Natur findet seine nahtlose Fortsetzung in der Ausbeutung der Menschen. Es lassen sich nur deshalb so viele Güter konkurrenzlos günstig per Lkw transportieren, weil die Arbeitsbedingungen in der Branche vergleichsweise schlecht sind. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen machen somit unsere Welt gerechter und zugleich ökologischer. Für einen sozialen und ökologischen Umbau muss bei Bus oder Bahn der Beruf für Frauen attraktiver werden.

Busse: Alltägliche Schwierigkeiten und Imagefragen

Die Ursachen, warum die Attraktivierung des Berufsbildes der Busfahrer:in bisher nur unzureichend gelang, sind vielfältig. Selbstverständlich spielen die Arbeitsbedingungen, wie insbesondere die Schichtarbeit, aber auch das Arbeitsumfeld eine große Rolle. Der Beruf der Busfahrerin ist physisch und psychisch anspruchsvoll. Oft sind lange Fahrten, unregelmäßige Arbeitszeiten und sogar Übernachtungen im Bus erforderlich. Diese Aspekte wirken auf viele Frauen abschreckend, da sie eine starke Belastung für das Privat- und Familienleben darstellen. Für Frauen, die oftmals immer noch einen größeren Teil der Familienarbeit übernehmen, kann es schwer sein, die langen Arbeitszeiten und auswärtigen Übernachtungen mit familiären Verpflichtungen zu vereinbaren. Im Verkehrsbereich gibt es bisher nur wenige flexible Arbeitszeitmodelle oder Teilzeitangebote, die es einfacher machen würden, die Familie mit dem Beruf in Einklang zu bringen.

Auch das Image der Branche ist nicht mehr zeitgemäß. Der Beruf des Busfahrers wird immer noch oft als „Männerberuf“ angesehen. Dadurch fühlen sich Frauen abgeschreckt oder haben das Gefühl, dass sie sich in dieser, männerdominierten Umgebung nicht wohlfühlen würden. Traditionelle Rollenvorstellungen und gesellschaftliche Erwartungen spielen hier eine wesentliche Rolle. Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft Sicherheitsbedenken. Übergriffe durch gewalttätige Fahrgäste nehmen zu, auch weil die zunehmende Hitze die Aggressionsbereitschaft steigert. Diese Gefahren stellen eine zusätzliche Hürde für den Beruf dar. Obwohl aktuell konkrete und belastbare Zahlen fehlen, gehen Schätzungen in der Branche davon aus, dass der Frauenanteil bei Busfahrer:innen österreichweit bei bis zu 20 Prozent liegt. Regional bestehen erhebliche Unterschiede, auch ein Stadt-Land-Ungleichgewicht ist feststellbar. Für einen Imagewandel in der Branche braucht es gezielter Werbung und Förderung, die zeigt: Frauen können das, Frauen sollen sich sicher fühlen und Frauen sind hochwillkommen.

Konkrete Verbesserungen müssen her

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen könnte den Frauenanteil erhöhen. Bisher ist es leider so, dass das Fehlen sozialer Infrastruktur wie Pausen- und saubere Sanitärräume dazu führt, dass Frauen nicht einmal in Erwägung ziehen, in diesem Sektor arbeiten zu wollen. Viele Busse, Triebwägen sowie Lkw-Raststätten und Einrichtungen an den Bahnhöfen sind für häufig für Frauen, aber auch für Männer nicht adäquat ausgestattet. Beispielsweise gibt es häufig keine getrennten Sanitäranlagen oder Umkleidemöglichkeiten. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Frauenbeschäftigung Potenzial hat, aber es gibt oft zu wenig greifbare Maßnahmen, um Frauen zu ermutigen oder ihnen die Ausbildung finanziell zu erleichtern.

Mittlerweile gibt es allerdings schon einige Firmen, die sich gezielt dafür einsetzen, Verkehrsberufe für Frauen attraktiver zu gestalten. Sei es durch die Anpassung von Lkw-Ausstattungen, passende Arbeitsschutzbekleidung, gezielte Ausbildungsförderung oder verbesserte Sicherheitskonzepte, um Frauen vor Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Planbare Freizeit und gezielte Werbung können langfristig helfen, zukünftig mehr Frauen für den Verkehrssektor zu begeistern. Die Verkehrsbranchen würden von einer stärkeren Diversität in den Reihen ihrer Fahrer:innen jedenfalls profitieren. Unternehmen, die das bereits erkannt haben, sind auch zunehmend bereit, Schritte in diese Richtung zu gehen – doch eine spürbare Veränderung braucht mehr Impulse, Vorbilder und wohl auch einen langen Atem.

Österreich: Bahnland Nummer eins?

Die Bahn ist fraglos ein wichtiges Instrument im ökologischen und sozialen Umbau. Auch die Bahnbranche leidet unter Fachkräftemangel und zu geringer Attraktivität für Frauen. Mit über 1,5 Millionen Eisenbahner:innen in Europa, lag der durchschnittliche Frauenanteil im europäischen Bahnsektor im Jahr 2023 bei 21,4 Prozent und damit laut Eurostat-Erhebung weit unter der europäischen gesamtwirtschaftlichen Frauenerwerbsquote von 46,5 Prozent. Während in Österreich die Frauenerwerbsquote mit 70,3 Prozent weit über dem europäischen Niveau liegt, arbeiten in den österreichischen Eisenbahnunternehmen nur 12,8 Prozent und nehmen mit diesem Wert zum wiederholten Mal im Vergleich zu 16 europäischen Ländern den letzten Platz ein, wie der „6. Women in Rail Report 2023“ zeigt. Im Gegensatz zu Österreich weisen Länder wie Schweden mit 40 Prozent und die Slowakei mit 35,8 Prozent die höchsten Quoten aus.

„Nicht überall ist Österreich das Bahnland Nummer Eins“, denn bei der Frauenbeschäftigung ist die Bundesbahn europäisches Schlusslicht“, analysiert Olivia Janisch, Bundesfrauenvorsitzende der Verkehrsgewerkschaft vida und zeigt sich gleichzeitig zuversichtlich, dass „es mit Blick auf Schweden und Slowakei jedenfalls möglich ist, mehr Frauen für die Eisenbahnbranche zu begeistern.“ Während im Top Management der österreichischen Bahnen Frauen mit 27,3 Prozent vertreten sind, liegt insbesondere in den eisenbahnspezifischen Berufen, wie beispielsweise in der Fahrdienstleitung (7,9 Prozent), im Lokfahr- (2,7 Prozent) und Zugbegleitdienst (15 Prozent) Österreich im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz. Hürden sind wie bei den Busfahrerinnen auch für die Eisenbahnerinnen unregelmäßige Schichtdienste. Die fehlende betriebliche Kinderbetreuung erschwert zudem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind ebenso schwerwiegende Gründe, weshalb sich Frauen gezwungen sehen, die Branche zu wechseln. Gleichzeitig hakt es auch an vergleichsweise trivialen Arbeitsbedingungen, wie mangelnde Arbeitsschutzbekleidung in passender Größe sowie ausreichende und saubere Sanitäranlagen, wobei letzteres auch für männliche Eisenbahner ein Problem darstellt. Die Eisenbahner:innen betonen allerdings die, aufgrund des vergleichsweise hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades, gute und transparente Entlohnung.

Bahn frei für Frauen – Europäische Sozialpartner einigen sich

Der „Women in Rail Report“ wird seit 2012 erstellt und untersucht 28 Bahnunternehmen aus 21 europäischen Ländern. Er diente als Grundlage für die zähen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern zur Einigung von verbindlichen frauenfördernden Maßnahmen. Ende 2021 wurde das Sozialpartnerabkommen unterzeichnet, das die verbindliche Umsetzung von frauenfördernden Maßnahmen vorsieht. Der Maßnahmenkatalog umfasst die Einführung von Zielquoten, Arbeitszeitflexibilisierung für die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben, Förderung der Karriereentwicklung, Lohntransparenz, Gesundheit und Sicherheit und die Bekämpfung sexueller Belästigung.

Die Bahnbranche ist eine Zukunftsbranche und kann hinsichtlich des demographischen Wandels nicht auf weibliche Talente verzichten. Die Sozialpartner haben nun zwei Jahre Zeit, um die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Innerhalb der ÖBB wurde mit der „Diversity Charta“ festgelegt, den Frauenanteil im Gesamtkonzern von aktuell 14 auf 17 Prozent bis 2026 zu erhöhen. Als einer der größten Lehrlingsausbildner in Österreich, zeichnet sich hier ein positiver Trend ab. Aufgrund aktiver Anwerbung von weiblichen Lehrlingen konnten seit 2019 der Anteil an weiblichen Lehrlingen von 18 auf 21 Prozent gehoben werden.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein für alle Branchen erfolgt nun mit der Umsetzung EU-Lohntransparenzrichtlinie, als wichtiges Instrument, um den Gender-Pay-Gap endlich zu schließen. Nur wenn Politik und Unternehmen den Weg für mehr Frauen in der Transportbranche frei machen, indem sie ihnen eine soziale und faire Beschäftigung ermöglichen, kann der Bus- und Bahnverkehr einen bedeutenden Beitrag zu einer ökologischeren Gesellschaft leisten.

Dieser Blogbeitrag erschien zuerst im A&W Blog

Autorenschaft:

Sabine Stelczenmayr, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Stefanie Pressinger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Wirtschaft und Umwelt 4/2024 im Schwerpunkt Klima und Gender erschienen.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung