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Die heimische Bahnindustrie – Aktuelle News

Die heimische Bahnindustrie – Aktuelle News

Mitte September wurde der „Austrian Rail Report 2025” vorgestellt, mit dem sich die österreichische Bahnindustrie präsentiert. Dabei wird erneut deutlich: Die Bahn ist mehr als ein Verkehrsmittel – sie ist Jobmotor, Klimaschutz und Innovationsfeld zugleich. Von der hohen Energieeffizienz im Personen- und Güterverkehr über die Sicherung tausender Arbeitsplätze bis hin zu Milliardeninvestitionen in Forschung und Infrastruktur: Die Bahnindustrie zählt zu den wichtigsten Jobmotoren Österreichs.

Insgesamt sind knapp 34.100 Menschen in diesem Sektor beschäftigt – davon rund 18.800 direkt in der Zulieferindustrie für den Schienenverkehr. Damit ist die Zahl der Arbeitsplätze deutlich gestiegen. Parallel dazu hat auch die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung weiter zugelegt: Allein die direkt Beschäftigten erwirtschaften eine Bruttowertschöpfung von rund 1,6 Mrd. Euro und sichern hochwertige Industriearbeitsplätze in allen Bundesländern. Besonders bemerkenswert: Der Beschäftigungsmultiplikator liegt bei 1,81. Das bedeutet:  jeder Arbeitsplatz in der Bahnindustrie schafft rechnerisch fast einen weiteren Job in Österreich.

Einen Dämpfer gibt es: Die Exportquote sank um knapp sechs Prozentpunkte auf 68 Prozent. Dennoch bleibt Österreich Spitzenreiter bei den F&E-Investitionen im europäischen Schienenfahrzeugbau – mit 16,5 Euro pro Kopf, deutlich vor Tschechien (7,4 Euro) und Deutschland (3,6 Euro).

Die Bahn setzt Maßstäbe in Effizienz und Klimaverträglichkeit. Ein moderner Elektrozug benötigt pro Personenkilometer nur ein Dreißigstel der Energie eines Pkw. Auch im Güterverkehr ist der Unterschied eindeutig: Während ein Güterzug rund 3,5 kWh pro 100 Tonnenkilometer verbraucht, benötigt ein Diesel-Lkw das Sechsfache.

Doch die Bahn spart nicht nur Energie, sondern auch Platz: Um 20.000 Menschen pro Stunde in eine Richtung zu transportieren, genügt ein einziges Gleis – für dieselbe Leistung wären zwölf Autospuren nötig. Damit wird erneut verdeutlicht: Die Bahn bildet das Rückgrat einer klimafreundlichen Mobilität.

Eine aktuelle AK-Studie zeigt: Österreich hat das Potenzial, zum Bahnproduzenten Europas zu werden.Voraussetzung dafür ist, dass die ehrgeizigen europäischen Verkehrsziele ernst genommen und durch eine industriepolitische Strategie konsequent unterstützt werden. Die Dimension der wirtschaftlichen Chancen wird an den notwendigen Investitionen deutlich: Allein für den Ausbau des europäischen Schnellzugnetzes sind bis 2050 rund 550 Milliarden Euro erforderlich.

Zudem bietet die Bahnindustrie durch ihre Berufsstruktur besonders gute Perspektiven für Beschäftigte aus der kriselnden Kfz-Zulieferindustrie – und könnte damit zu einer Schlüsselbranche im industriellen Wandel werden.

Veranstaltungshinweis: Zug um Zug – Vom Bahnland Österreich zur Bahnfabrik Europas, Potenziale der heimischen Bahnindustrie

Montag, 29. September 2025 | Beginn: 19:00 Uhr

AK Bildungsgebäude | Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien

Nové Údolí – Eine Endstation im Nichts

Nové Údolí – Eine Endstation im Nichts

Während in Österreich seit Jahren über den Erhalt und Ausbau regionaler Bahnlinien gestritten wird, zeigen unsere Nachbar*innen in Tschechien, wie es anders gehen kann. Nur wenige Kilometer nördlich der oberösterreichischen Grenze fährt die Böhmerwaldbahn durch dünn besiedeltes Gebiet – ganzjährig und gut genutzt. Der Kontrast zur Mühlkreisbahn, die in ihrer Existenz bedroht ist, könnte kaum größer sein. Ein Blick über die Grenze zeigt: Es fehlt nicht am Potenzial – sondern am politischen Willen.

Während ÖBB, Verkehrsministerium und das Land Oberösterreich darüber verhandeln, ob und wie die Mühlkreisbahn erhalten werden soll, schlängelt sich nur zwanzig Kilometer nördlich die tschechische Böhmerwaldbahn ungehindert durch die Landschaft. Im Zwei-Stunden-Takt fährt sie bis Nové Údolí – einer Haltestelle im sprichwörtlichen Nichts: Dort gibt es weder ein Dorf noch eine Fabrik oder sonstige Ansiedlung. Zum Vergleich: Die Mühlkreisbahn endet bislang in Aigen-Schlägl, einem Ort mit immerhin 3.300 Einwohner:innen. Der Kontrast wirft Fragen auf: Warum verfolgt man in unmittelbarer Nachbarschaft so unterschiedliche Strategien im Umgang mit regionalen Bahnlinien?

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Böhmerwaldbahn stellte einst die Verbindung von Budweis nach Westen über Český Krumlov bis nach Bayern her. Nové Údolí war dabei die Grenzstation – mit überwiegend deutschsprachiger Bevölkerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese vertrieben, ihre Häuser verfielen. Der sogenannte Eiserne Vorhang kappte die Bahnlinie, und die Grenzregion wurde zum militärischen Sperrgebiet. In den 1970er Jahren wurden auf deutschem Gebiet die Schienen abgetragen.

Nach der „Samtenen Revolution“ 1990 reaktivierte man die Bahnlinie auf tschechischer Seite für zivile Zwecke. Haltestellen und Bahnsteige wurden neu errichtet, die Strecke laufend saniert. Neben dem touristischen Hotspot Český Krumlov (Krumau an der Moldau) erschließt die Bahn auch das Erholungsgebiet rund um den Moldau-Stausee sowie den Nationalpark Šumava. Parallel zur Bahnlinie verläuft der beliebte „Iron Curtain“- Radweg. Das touristische Potenzial ist also vorhanden – und wird, wie die Fahrgastzahlen zeigen, auch tatsächlich genutzt. Die Züge bieten reichlich Platz für Fahrräder – im Sommer hilft zusätzliches Personal beim Ein- und Ausladen.

Wie sieht der Bahnbetrieb heute aus?

Die Endstation Nové Údolí ist auch heute noch ein besonderer Ort. Der Bahnsteig liegt direkt an der Grenze zu Bayern – umgeben von Mooren, Wiesen und Wäldern. In der Umgebung laden zahlreiche Wander- und Radwege, ein Hotel und mehrere Jausenstationen zur Rast ein. Eine kleine Attraktion ist die „kürzeste internationale Eisenbahn der Welt“: Ein 150 Meter langes Gleis führt über die Grenze und kann mit einer Draisine befahren werden. Wer zu Fuß nach Bayern wandert, erreicht nach etwa anderthalb Kilometern das Dorf Haidmühle.

In Österreich wäre eine Bahnlinie wie diese längst stillgelegt oder zumindest gekürzt worden. Nach Nové Údolí hingegen verkehren die Züge ganzjährig im Zwei-Stunden-Takt. Dieser Vergleich macht deutlich, wie fahrlässig die Versuche sind, den Bezirk Rohrbach mit seinen 57.000 Einwohner:innen von der einzigen Bahnverbindung abzuschneiden.

Was in Südböhmen funktioniert, könnte auch im benachbarten Mühlviertel gelingen. Potenziale sind dazu da, genutzt zu werden! Stattdessen wird die Mühlkreisbahn systematisch ausgehungert – während man seit Jahrzehnten über den Lückenschluss zum Linzer Hauptbahnhof diskutiert, ihn aber bis heute nicht umsetzt.

Die Böhmerwaldbahn beweist, dass regionale Bahnlinien auch in peripheren Regionen erfolgreich betrieben werden können. Für das Mühlviertel bedeutet das: Der Bezirk Rohrbach darf nicht von der Schiene abgehängt werden. Statt weiter über den Lückenschluss zum Linzer Hauptbahnhof zu diskutieren, braucht es endlich konkrete Schritte – für einen modernen, klimafreundlichen und gleichwertigen öffentlichen Verkehr in ganz Oberösterreich.

Autorenschaft: Heinz Högelsberger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Liberalisierung und Digitalisierung – Die schwedische Bahn auf dem Prüfstand

Liberalisierung und Digitalisierung – Die schwedische Bahn auf dem Prüfstand

Schweden gilt sowohl bei der Liberalisierung des Bahnwesens als auch im Bereich der Digitalisierung als europäischer Vorreiter. Was zunächst modern klingt, führt in der Praxis zu unerwarteten Herausforderungen. Der folgende Bericht zeigt, wie sich diese Entwicklungen auf den schwedischen Bahnverkehr auswirken – und wo die Grenzen von Liberalisierung und Digitalisierung deutlich spürbar werden.

Bereits im Jahr 1988 wurde beschlossen, den Bahnbetrieb und die Infrastruktur bei der staatlichen Eisenbahn SJ (Statens Järnvägar) zu trennen. Damit erhielten auch private Anbieter Zugang zum schwedischen Schienennetz. Schweden wurde so zum Vorreiter, an dem sich später die EU mit ihren Eisenbahnpaketen orientierte. Der Nahverkehr wurde in die Verantwortung von Regionen und Gemeinden übertragen, was in vielen Fällen zu einer Umstellung auf Busverkehr führte. Auch das Schienennetz schrumpfte massiv – von 17.110 Kilometern im Jahr 2002 auf 10.914 Kilometer im Jahr 2022. Die Verwaltung des Schienennetzes wechselte zunächst von der SJ zur Behörde Banverket und ging 2010 an Trafikverket über, wo heute die langfristige Planung der Straßen- und Bahninfrastruktur beheimatet ist. Der schwedische Bahnbetrieb ist mittlerweile vollständig liberalisiert. Die Performance ist mit jener Österreichs allerdings durchaus vergleichbar (siehe Tabelle). War die Liberalisierung also eine Erfolgsgeschichte?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, lohnt sich ein genauerer Blick: Das Bahnnetz ist nach wie vor relativ dicht – die Intervalle hingegen nicht. Fernzüge fahren selten und sind daher stark ausgelastet. Eine Sitzplatzreservierung ist häufig vorgeschrieben. Als Fahrgast muss man jedoch zuvor herausfinden, bei welchem Bahnunternehmen man überhaupt buchen muss. Die schwedischen Züge sind grundsätzlich pünktlich, bestehen aber oft nicht aus der vorhergesehenen Anzahl oder Art von Waggons.

Diesen Sommer kam es jedoch häufig zu Zugausfällen. Zwischen dem 1. Mai und dem 22. Juli verbogen sich die Schienen aufgrund der Hitze fünfundzwanzigmal so stark, dass es zu längeren Verkehrsunterbrechungen kam. Erst kürzlich saßen deshalb rund hundert Fahrgäste für 22 Stunden im nordschwedischen Gällivare fest. Dem Infrastrukturbetreiber Trafikverket wird vorgeworfen, keine vorbeugende Wartung durchzuführen. Kommt es zu akuten Störungen, erfolgen die Arbeiten aus Kostengründen tagsüber und ohne Zeitdruck. Hier rächt es sich, dass die schwedische Bahn kein integriertes Unternehmen mehr ist, in dem Reparatur und Wartung der Infrastruktur auf die Erfordernisse des Personen- und Güterverkehrs abgestimmt werden.

Schweden setzt auf Digitalisierung

Bedingt durch die weitgehende Digitalisierung sind schwedische Bahnhöfe sehr spartanisch ausgestattet. Meist bestehen sie nur aus einem Wartesaal, einer elektronischen Zuganzeige und WC-Anlagen. Gepäckschließfächer gibt es nur selten. Aushänge, Netzpläne oder Informationsschalter sucht man vergeblich. In wenigen Regionen stehen Fahrkartenautomaten für den Nahverkehr zur Verfügung – wobei dieser, wie wir ihn kennen, auf den dichter besiedelten Süden und das Umland der Großstädte beschränkt ist. Im übrigen Land fahren die Züge meist an den Dörfern vorbei und halten nur in den Städten. Eine weitere Kehrseite der Digitalisierung ist, dass es im Falle von Computerausfällen bei der Zugsteuerung oft keine Rückfallebene gibt und der Verkehr dann zum Erliegen kommt.

Wie steht es um die schwedischen Nachtzüge?

Trotz der großen geografischen Ausdehnung des Landes sind Nachtzugverbindungen in Schweden rar. Täglich verkehren Nachtzüge lediglich von Stockholm nach Malmö, nach Duved (jedoch nicht weiter ins norwegische Trondheim) und in den Norden nach Luleå. Eine Verbindung nach Oslo gibt es nicht. An manchen Tagen fahren Nachtzüge auch nach Berlin und zum norwegischen Erzverladehafen Narvik. Doch gerade die Verbindungen in den Norden stehen auf der Kippe: Für die aktuelle Ausschreibung dieser Nachtzugverkehre fand sich kein einziger Interessent. Ein Blick auf die Vorgeschichte: Das Bahnunternehmen „Vy Tåg“ hatte den Betrieb nach einer Ausschreibung im Dezember 2020 übernommen. Als es die Option zur Vertragsverlängerung nicht zog, wurde der Nachtzugverkehr im Sommer 2024 per Direktvergabe an die SJ übertragen. Diese betreibt die Verbindung seither – so scheint es – eher lustlos bis zum geplanten Vertragsende im Dezember 2026.

Was danach geschieht, ist unklar. Die Verkehrsbehörde wurde von der erfolglosen Ausschreibung überrascht – das Management der SJ hingegen nicht. „Wir freuen uns sehr, die Nachtzüge zwischen Stockholm und dem Norden zu betreiben. Es gibt eine große Nachfrage nach Zugreisen, aber die Ausschreibungsbedingungen müssen realistisch sein“, heißt es vonseiten der Staatsbahn. Offenbar sind sie das derzeit nicht.

Sonderfall Inlandsbahn

Während die Hauptstrecke nach Nordschweden von Stockholm über Boden und Kiruna bis zum norwegischen Erzverladehafen Narvik verläuft, zieht sich die Inlandsbahn weiter westlich durchs Land. Sie erstreckt sich über eine Länge von mehr als 1.288 Kilometern – von Kristinehamn im Süden bis nach Gällivare im Norden – und wurde in einem Zeitraum von drei Jahrzehnten zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut.

Bereits seit 1963 verfolgt der schwedische Staat die Politik, „unrentable“ Bahnstrecken stillzulegen. Die Inlandsbahn spielte im Personenverkehr nur noch eine untergeordnete Rolle. Mit dem Fahrplanwechsel 1990/1991 sollte dieser schließlich vollständig auf Busverkehr umgestellt werden, was zu heftigen Protesten der Anrainer:innen führte. In der Folge wurde der Betrieb an die „Inlandsbanan AB“ übergeben, ein Unternehmen im Eigentum der 15 Anliegergemeinden. Die finanzielle Verantwortung für die Infrastruktur verblieb jedoch beim Staat.

Der Personenverkehr auf der Inlandsbahn beschränkt sich auf touristische Fahrten in den Sommermonaten sowie auf einzelne Sonderfahrten zu besonderen Anlässen. Derzeit verkehrt täglich ein Zugpaar zwischen Gällivare und Östersund. Die im Betrieb befindlichen Fiat-Schienenbusse aus dem Jahr 1980 kreuzen einander am frühen Nachmittag in Sorsele. Ein weiterer Zug fährt am Vormittag von Östersund nach Mora und am Nachmittag wieder zurück. Betankt wird mit „100 % förnybara bränslen“ – also vollständig erneuerbarer Energie.

Es gibt Streckentickets und Zeitkarten, auch Interrailtickets werden anerkannt. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten ist eine Platzreservierung erforderlich – auch, damit die Crew weiß, an welchen Haltestellen Fahrgäste zusteigen möchten und daher ein Stopp eingelegt werden soll. Entlang der Strecke gibt es zudem Halte rein touristischer Natur – etwa am Polarkreis, bei den Bahnhofs-Museen in Moskosel und Sorsele sowie für Essenspausen. Die Bahn ließe sich grundsätzlich auch stärker für den Regionalverkehr nutzen – etwa durch die Vermeidung paralleler Angebote. So verkehrt beispielsweise die Regionalbuslinie 46 zeitgleich mit dem Zug zwischen Östersund und Mora – bei ähnlicher Fahrzeit. Auf Teilstrecken findet auch Güterverkehr statt, hauptsächlich in Form von Holztransporten.

Als Fahrgast fällt der Kontrast zwischen dem betagten, teils störungsanfälligen Fuhrpark und dem überraschend guten Zustand der Infrastruktur auf. Für eine Bahnlinie, auf der in zweieinhalb Monaten jährlich lediglich zwei tägliche Personenzüge unterwegs sind, ist die Zahl gesicherter Bahnübergänge – teils beschrankt, teils mit Lichtsignalanlagen – erstaunlich hoch. Die Inlandsbahn bringt Tourismus in abgelegene Regionen und ist als Erlebnisbahn selbst eine Attraktion. Das erklärt wohl auch, warum sich die Anliegergemeinden finanziell am Betrieb beteiligen. Mit einem ähnlichen Ansatz hätte man wohl auch in Österreich so manche Regionalbahn vor der Stilllegung retten können.

Der Blick nach Schweden zeigt: Ohne eine klare staatliche Steuerung, ausreichende finanzielle Mittel und ein Bewusstsein für die Bedürfnisse der Fahrgäste drohen zersplitterte Strukturen, mangelhafte Informationen und ausgedünnte Verbindungen. Gleichzeitig beweisen Projekte wie die Inlandsbahn, dass regionales Engagement, politische Gestaltung und touristischer Mehrwert durchaus neue Perspektiven eröffnen können – wenn man bereit ist, Bahnverkehr nicht nur wirtschaftlich, sondern auch als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge zu denken.

Autorenschaft: Heinz Högelsberger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Mobilitätswende ein­ge­bremst – Budget­konsolidierung im Verkehrs­bereich

Mobilitätswende ein­ge­bremst – Budget­konsolidierung im Verkehrs­bereich

Die österreichische Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zu einem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zur Einhaltung der Klimaziele. Doch ein Blick auf das Budget für 2025 und 2026 offenbart Widersprüche: Einsparungen bei der Bahn, steigende Kosten für klimafreundliche Mobilität und ein Rückzug aus Förderprogrammen. Andererseits werden 750 Millionen an Transitentschädigung (= erhöhte Lkw-Maut) buchstäblich auf der Straße liegen gelassen. 

Lasst die Zahlen sprechen!

Da ein Budget eine in Zahlen gegossene Politik darstellt, werden hier die Budgetdaten herangezogen, um die daraus folgende Verkehrspolitik zu beurteilen.

Viel Aufregung gibt es rund um das Klimaticket. Einerseits wird das Gratisticket für 18-Jährige eingestellt und auf der anderen Seite das Klimaticket Österreich (KTÖ) mehr kosten. Nachdem es schon mit Jahresbeginn um 7,7 Prozent verteuert worden ist, sollen im August 2025 und im Jänner 2026 weitere Preissprünge folgen. Danach wird die Classic-Version 1.400 Euro kosten.

Auch wenn dies im Wesentlichen eine Nachholung der seit Einführung des Klimatickets 2021 nicht erfolgten Anpassung an die Inflation darstellt, stellen sich Fragen nach der Sinnhaftigkeit. Bisher war das KTÖ mit 330.000 Kund:innen eine Erfolgsgeschichte. Das könnte sich jetzt ändern. Denn rund zwei Drittel dieser Fahrgäste haben Öffi-Kosten, die unterhalb des KTÖ-Preises liegen. Diese Kund:innengruppe ist vom einfachen und universellen Prinzip des Klimatickets so überzeugt, dass sie es faktisch querfinanziert. Es ist zu befürchten, dass viele bisherige Nutzer:innen durch die wiederholten Preiserhöhungen abgeschreckt werden und auf billigere Fahrscheinarten umsteigen. Was die öffentliche Hand bei der Tariferhöhung einnimmt, könnte sie auf der anderen Seite an Deckungsbeiträgen verlieren. Die angepeilten Budgeterlöse sind also mehr als fraglich. Für Lehrlinge, die zu Ausbildungszwecken in andere Bundesländer pendeln müssen, gibt es nun fünf Millionen Euro extra.

Da viele Verkehrsverbünde auch bei den regionalen Klimatickets preislich nachziehen werden, wird sich für viele Menschen das Pendeln mit den Öffis verteuern. Den meisten von ihnen wird die Verdreifachung des Pendlereuros nicht helfen, denn die Nutznießer:innen sind zu mehr als drei Viertel Autofahrer:innen. Beim Pendlereuro handelt es sich um einen Absetzbetrag: Er reduziert also direkt die zu zahlende Steuer. Das ist viel gerechter als das klassische Pendlerpauschale, welches als Freibetrag die Steuerbemessungsgrundlage senkt und damit den Besserverdienenden überproportional zugutekommt. Mit der Erhöhung des Pendlereuros soll der Wegfall des Klimabonus teilweise kompensiert werden. Mittels Klimabonus wurde ja die steigende CO2-Bepreisung fossiler Energie rückverteilt. Allerdings liegen die aktuellen Treibstoffpreise auf demselben Niveau wie vor dreieinhalb Jahren. Bei Menschen, die mit Gas heizen (müssen), sieht die Lage anders aus: Sie zahlen immer noch höhere Preise, die aber künftig nicht kompensiert werden.

Gebremster Bahnausbau

Ausbau und Modernisierung des ÖBB-Netzes wird in sechsjährigen Rahmenplänen definiert und laufend fortgeschrieben. Waren für den Zeitraum 2024 bis 2029 noch 21,1 Mrd. Euro vorgesehen, so wird dies für die Periode 2025 bis 2030 auf immer noch beeindruckende 19,7 Mrd. Euro abgesenkt. Manche Projekte werden verschoben, was bei der aktuellen Budgetlage durchaus verständlich ist. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass dabei auch relativ kostengünstige, aber arbeitsintensive Verbesserungen an Regionalbahnlinien verzögert werden. Hier könnten nämlich viele Jobs geschaffen werden. Wirklich problematisch sind jedoch die Pläne, den Betrieb von drei Regionalbahnen in Oberösterreich (Mühlkreisbahn zwischen Rottenegg und Aigen-Schlägl, Almtalbahn, Hausruckbahn) sowie der Thermenbahn in der Steiermark infrage zu stellen. Gerne würden die ÖBB die Strecken an die Bundesländer abgeben. Dazu laufen derzeit Verhandlungen, alternativ sollen Busse angeboten werden. Die Zeiten von Bahnschließungen sollten aber eigentlich der Vergangenheit angehören, da Regionalbahnen das Mobilitätsrückgrat im ländlichen Raum darstellen.

Doch nicht nur bei der Infrastruktur soll gespart werden, sondern auch beim Bahnverkehr selbst. Mittels sogenannter Verkehrsdiensteverträge bestellt der Bund bei den Eisenbahnunternehmen jene Verkehre, die nicht kostendeckend gefahren werden können. 2026 soll es dafür 93,3 Millionen Euro weniger geben. Das wird vermutlich eine spürbare Ausdünnung der Fahrpläne – sowohl in Tagesrandzeiten als auch bei den beliebten und international anerkannten Nightjets – nach sich ziehen. Die ÖBB werden aber nicht nur weniger Abgeltung für ihre Tätigkeit erhalten, sondern noch heuer eine Sonderdividende in Höhe von 80 Millionen Euro abführen müssen. Die Maßnahmen zeigen, dass es zu einer merklichen Abbremsung der Mobilitätswende kommen wird.

Die Ankündigung der Bundesregierung und der ÖBB, dass es keine Einsparungen bei den Bahnbeschäftigten geben soll, ist essenziell für einen gut funktionierenden Schienenverkehr. Die massive Anzahl von 4,5 Millionen geleisteten Überstunden der Bahnbeschäftigten sowie der Generationenwechsel erfordern nämlich eine Ausbildungsoffensive für die Bahnbranche und den öffentlichen Verkehr. Das ist positiv und wird zu überprüfen sein. Ein weiterer Lichtblick ist die „Offensive sauberes Österreich“, durch die der Verschub bei den Güterbahnen finanziell unterstützt wird.

Geld wäre vorhanden!

Auch die Mittel des Klima- und Energiefonds (KLIEN) sollen umfassend gekürzt werden, was unter anderem auch die Förderung von Elektromobilität betrifft. Dass die Normverbrauchsabgabe für Klein-Lkw und Pick-ups gestrichen wurde, gleichzeitig aber die motorbezogene Versicherungssteuer für Elektro-Pkw eingeführt wird, sorgt für einen bitteren Nachgeschmack. Ebenso, dass sich Österreich 800 Millionen an Mauteinnahmen als Transitentschädigung entgehen lässt. Hier wird immerhin die CO2-Bepreisung um 50 Millionen Euro angehoben. Bund, Länder und ASFINAG nahmen 2021 aus Verkehrsstrafen 400 Millionen Euro ein. Bessere Kontrollen (z. B. im Schwerverkehr), Beseitigung von „Straftoleranzen“ sowie eine Valorisierung – seit 2009 unverändert (!) – können zu beträchtlichen Mehreinnahmen führen. Eine weitere halbe Milliarde Euro würde die flächendeckende Lkw-Maut bringen. Das Geld liegt also förmlich auf der Straße! Es müsste nur abgeholt werden und in die Mobilitätswende investiert werden.

Dieser Artikel erschien zuerst im A&W Blog. Autorenschaft: Heinz Högelsberger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung
Vier Regionalbahnlinien in Gefahr!

Vier Regionalbahnlinien in Gefahr!

Der öffentliche Verkehr spielt eine zentrale Rolle für die Mobilität in ländlichen Regionen und auf Österreichs Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere Regionalbahnlinien verbinden kleine Städte und Gemeinden und schaffen wichtige Verkehrsachsen für Pendler:innen. Trotz dieser Bedeutung sind mehrere Regionalbahnlinien im neuen Rahmenplan des ÖBB-Netzes aktuell gefährdet.

Der Ausbau und die Modernisierung des ÖBB-Netzes werden in sechsjährigen Rahmenplänen definiert und kontinuierlich fortgeschrieben. Für den Zeitraum 2024–2029 waren dafür 21,1 Mrd. Euro vorgesehen. Für die Periode 2025-2030 wurde diese Summe auf 19,7 Mrd. Euro reduziert. Zwar handelt es sich noch immer um eine beachtliche Summe, dennoch steht dem Bahnausbau und der Bahnindustrie insgesamt weniger Geld zur Verfügung – mit der Folge, dass Projekte verschoben werden müssen.

Besonders unverständlich scheint diese Vorgehensweise bei den relativ kostengünstig, jedoch arbeitsintensiven Verbesserungen an Regionalbahnlinien, wie etwa bei notwendigen Elektrifizierungsarbeiten. Gerade hier könnten viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Wer glaubt, die Zeiten des Regionalbahnsterbens seien endgültig vorbei und die wenigen verbliebenen Linien würden gesichert und aufgewertet, irrt sich: Im neuen Rahmenplan stehen vier Linien auf der Kippe – ihr Weiterbestand soll nun ‚evaluiert‘ werden.

  • Mühlkreisbahn (Oberösterreich): Diese startet in Linz-Urfahr. Anstatt sie – nach jahrzehntelanger Diskussion – bis zum Hauptbahnhof zu verlängern (die dafür notwendige Donaubrücke wurde bereits neu errichtet), soll sie bei Rottenegg gekappt werden. Der Streckenabschnitt nach Aigen-Schlägl soll stillgelegt werden. Damit würde eine weitere Bezirkshauptstadt – nämlich Rohrbach – vom Schienennetz abgeschnitten. Das wäre eine erhebliche Verschlechterung für Pendler:innen aus dem Mühlviertel
  • Almtalbahn (Oberösterreich): Diese Linie erschließt das Almtal zwischen Wels und Grünau. Im Einzugsgebiet leben rund 25.000 Menschen. Auch zahlreiche Unternehmen, wie etwa Fronius, sind hier angesiedelt.
  • Hausruckbahn (Oberösterreich): Diese Bahnlinie verbindet die Bahnknoten Attnang-Puchheim, Ried und Schärding und erfüllt damit – etwa für Ausweichverkehre – eine wichtige Funktion im Netz. Zudem wird der Bahnhof Ried derzeit modernisiert und aufgewertet. Laut Zielnetz 2040 soll die ‚Neue Innkreisbahn‘ von Wels kommend in der Nähe von Ried Richtung München führen. Vor diesem Hintergrund wäre es ein Schildbürgerstreich, ausgerechnet mögliche Zulaufstrecken für diese geplante Schnellverbindung stillzulegen.
  • Thermenbahn (Steiermark): Der Abschnitt Friedberg–Fehring ist derzeit akut gefährdet – und dass, obwohl in den vergangenen Jahren über 30 Millionen Euro in seine Attraktivierung investiert wurden. Neben dieser Verschwendung öffentlicher Mittel droht auch die Abkoppelung der Bezirkshauptstadt Hartberg und des Regionalzentrums Fürstenfeld vom Bahnnetz.

Diese vier Regionalbahnen stehen auf der Abschussliste – und mit ihnen wichtige Anbindungen für Regionen abseits der Zentren. Gerade vor dem Hintergrund klimafreundlicher Mobilität und regionaler Entwicklung sollten solche Entscheidungen mit besonderer Sorgfalt getroffen werden.