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Neue Labour-Regierung: Britische Eisenbahn soll wieder verstaatlicht werden

Mit viel Pomp hat der britische König Charles am 17. Juli im Parlament in London die Regierungserklärung des neuen Premierministers Keir Starmer verlesen. Dabei verkündete er auch die schrittweise Re-Verstaatlichung der britischen Eisenbahn. Die regierende Labour Party hat ihre detaillierten Pläne in einer 28-seitigen Broschüre zusammengefasst, die es wert ist, gelesen zu werden. Damit wird die Reparatur eines dreißigjährigen misslungenen Liberalisierungsexperiments eingeleitet.

Zur Erinnerung: In der Nachkriegszeit war die staatliche British Rail für den Bahntransport in fast allen Landesteilen (mit Ausnahme von Nordirland) zuständig; und zwar recht erfolgreich und verlässlich. In den 1980er Jahren hatte die Regierung Thatchers beinahe alle ehemaligen Staatsbetriebe verkauft; die Eisenbahn stand aber noch aus. Mit dem Railways Act, der 1994 in Kraft trat, wurde British Rail in über 100 verschiedene Unternehmen aufgeteilt. Die einzelnen Strecken wurden zu regionalen Gruppen zusammengefasst und als Konzessionen ausgeschrieben, um die sich Privatunternehmen bewerben konnten. Im Jahr 1997 war der Privatisierungsprozess abgeschlossen. Die versprochenen Erfolge stellten sich nicht ein. Zwar stieg die Anzahl der beförderten Reisenden, doch die erhofften Preissenkungen blieben weitgehend aus. Vielmehr wurden die Preise massiv erhöht. Die gesamte Bahninfrastruktur wurde von der privaten Gesellschaft Railtrack übernommen. Die Instandhaltung der Anlagen wurde aus Kostengründen vernachlässigt, wichtige Investitionen wurden aus kurzfristigem Profitdenken gestrichen. Nach zahlreichen Pannen und Unfällen mit vielen Todesopfern konnte Railtrack ihren Aktionären keine Dividende mehr auszahlen und ging 2002 bankrott. Darauf übernahm die öffentlich-rechtliche und nicht auf Gewinn ausgerichtete Gesellschaft Network Rail das Schienennetz. Der Bahnbetrieb selbst wurde aber von zahlreichen Unternehmen aufrechterhalten. Die Folge sind nicht abgestimmte Fahrpläne, ein Wildwuchs an Tarifen, hohe Preise und zahlreiche Verspätungen bzw. Zugausfälle, sowie vernachlässigte Bahnhöfe; und das in jenem Land, in dem die Eisenbahn erfunden wurde! Stellte eine privates Eisenbahnunternehmen ihre Tätigkeit überraschend ein, musste der Staat erst recht einspringen und den Betrieb übernehmen. Ein von der konservativen Vorgängerregierung beauftragte Untersuchung kam aktuell zu dem Schluss: „Die Aufteilung von British Rail in Dutzende von Unternehmen sollte den Wettbewerb zwischen ihnen fördern und zusammen mit der Beteiligung des Privatsektors zu mehr Effizienz und Innovation führen. Davon ist wenig geschehen. Stattdessen hat die Zersplitterung des Netzes die Verwirrung für die Fahrgäste vergrößert und es schwieriger und teurer gemacht, die im Wesentlichen gemeinschaftliche Aufgabe zu erfüllen, die Züge pünktlich fahren zu lassen.“

Die neue Regierung reagiert darauf nun mit der Gründung der staatlichen „Great Britain Railways“. Hier soll zu Beginn der Infrastrukturbetreiber „Network Rail“ mit den ohnehin schon staatlichen Auffanggesellschaften fusioniert werden. Mit dem Auslaufen der bestehenden Konzessionen, werden schrittweise wohl immer mehr Bahnlinien in das Unternehmen integriert. Die Regierung verspricht sich davon Vereinfachungen und Synergien, direkte und strategische Steuerung, sowie besseres und abgestimmtes Service. Außerdem gehen keine Profite mehr an private Betreiber. Sind dann noch freie Kapazitäten und Bahntrassen übrig, werden auch „Open Access“-Unternehmen – also Eisenbahnen, die auf eigene Rechnung fahren – zugelassen. Gleichzeitig sollen auch die Fahrgastrechte und die Arbeitsbedingungen für die Eisenbahner:innen verbessert werden. Mit dem britischen Bahnwesen geht es also wieder aufwärts.

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