Flat Preloader Icon
Nové Údolí – Eine Endstation im Nichts

Während in Österreich seit Jahren über den Erhalt und Ausbau regionaler Bahnlinien gestritten wird, zeigen unsere Nachbar*innen in Tschechien, wie es anders gehen kann. Nur wenige Kilometer nördlich der oberösterreichischen Grenze fährt die Böhmerwaldbahn durch dünn besiedeltes Gebiet – ganzjährig und gut genutzt. Der Kontrast zur Mühlkreisbahn, die in ihrer Existenz bedroht ist, könnte kaum größer sein. Ein Blick über die Grenze zeigt: Es fehlt nicht am Potenzial – sondern am politischen Willen.

Während ÖBB, Verkehrsministerium und das Land Oberösterreich darüber verhandeln, ob und wie die Mühlkreisbahn erhalten werden soll, schlängelt sich nur zwanzig Kilometer nördlich die tschechische Böhmerwaldbahn ungehindert durch die Landschaft. Im Zwei-Stunden-Takt fährt sie bis Nové Údolí – einer Haltestelle im sprichwörtlichen Nichts: Dort gibt es weder ein Dorf noch eine Fabrik oder sonstige Ansiedlung. Zum Vergleich: Die Mühlkreisbahn endet bislang in Aigen-Schlägl, einem Ort mit immerhin 3.300 Einwohner:innen. Der Kontrast wirft Fragen auf: Warum verfolgt man in unmittelbarer Nachbarschaft so unterschiedliche Strategien im Umgang mit regionalen Bahnlinien?

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Böhmerwaldbahn stellte einst die Verbindung von Budweis nach Westen über Český Krumlov bis nach Bayern her. Nové Údolí war dabei die Grenzstation – mit überwiegend deutschsprachiger Bevölkerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese vertrieben, ihre Häuser verfielen. Der sogenannte Eiserne Vorhang kappte die Bahnlinie, und die Grenzregion wurde zum militärischen Sperrgebiet. In den 1970er Jahren wurden auf deutschem Gebiet die Schienen abgetragen.

Nach der „Samtenen Revolution“ 1990 reaktivierte man die Bahnlinie auf tschechischer Seite für zivile Zwecke. Haltestellen und Bahnsteige wurden neu errichtet, die Strecke laufend saniert. Neben dem touristischen Hotspot Český Krumlov (Krumau an der Moldau) erschließt die Bahn auch das Erholungsgebiet rund um den Moldau-Stausee sowie den Nationalpark Šumava. Parallel zur Bahnlinie verläuft der beliebte „Iron Curtain“- Radweg. Das touristische Potenzial ist also vorhanden – und wird, wie die Fahrgastzahlen zeigen, auch tatsächlich genutzt. Die Züge bieten reichlich Platz für Fahrräder – im Sommer hilft zusätzliches Personal beim Ein- und Ausladen.

Wie sieht der Bahnbetrieb heute aus?

Die Endstation Nové Údolí ist auch heute noch ein besonderer Ort. Der Bahnsteig liegt direkt an der Grenze zu Bayern – umgeben von Mooren, Wiesen und Wäldern. In der Umgebung laden zahlreiche Wander- und Radwege, ein Hotel und mehrere Jausenstationen zur Rast ein. Eine kleine Attraktion ist die „kürzeste internationale Eisenbahn der Welt“: Ein 150 Meter langes Gleis führt über die Grenze und kann mit einer Draisine befahren werden. Wer zu Fuß nach Bayern wandert, erreicht nach etwa anderthalb Kilometern das Dorf Haidmühle.

In Österreich wäre eine Bahnlinie wie diese längst stillgelegt oder zumindest gekürzt worden. Nach Nové Údolí hingegen verkehren die Züge ganzjährig im Zwei-Stunden-Takt. Dieser Vergleich macht deutlich, wie fahrlässig die Versuche sind, den Bezirk Rohrbach mit seinen 57.000 Einwohner:innen von der einzigen Bahnverbindung abzuschneiden.

Was in Südböhmen funktioniert, könnte auch im benachbarten Mühlviertel gelingen. Potenziale sind dazu da, genutzt zu werden! Stattdessen wird die Mühlkreisbahn systematisch ausgehungert – während man seit Jahrzehnten über den Lückenschluss zum Linzer Hauptbahnhof diskutiert, ihn aber bis heute nicht umsetzt.

Die Böhmerwaldbahn beweist, dass regionale Bahnlinien auch in peripheren Regionen erfolgreich betrieben werden können. Für das Mühlviertel bedeutet das: Der Bezirk Rohrbach darf nicht von der Schiene abgehängt werden. Statt weiter über den Lückenschluss zum Linzer Hauptbahnhof zu diskutieren, braucht es endlich konkrete Schritte – für einen modernen, klimafreundlichen und gleichwertigen öffentlichen Verkehr in ganz Oberösterreich.

Autorenschaft: Heinz Högelsberger, Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr AK Wien

Weiterlesen

Der Verkehrssektor braucht mehr qualifizierte Frauen

Der Verkehrssektor braucht mehr qualifizierte Frauen

In der Güter- und Personenbeförderung auf Straße und Schiene fehlen qualifizierte Arbeitskräfte - vor allem aber fehlt es an Frauen! Warum gibt es auch 2024 immer noch so wenig Frauen hinter dem Lenkrad eines Busses, Lkws oder im Führer:innenstand einer Lok? Welche...