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Österreichs Bahnindustrie – eine unterschätzte Branche

Der Zufall führte Regie: Einen Tag, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer seinen „Autogipfel“ vor der EU-Wahl veranstaltete und dabei wieder das „Autoland“ Österreich ausrief, fand der Jahresempfang des Verbandes der Bahnindustrie (VBI) statt.

Klimaministerin Leonore Gewessler nutzte daraufhin ihre Begrüßungsworte, um Österreich als „Bahnland“ zu titulieren. Sieht man sich die Wirtschaftsdaten an, so ist diese Bezeichnung durchaus berechtigt: In der heimischen Bahnindustrie sind 15.000 Menschen direkt beschäftigt und erwirtschafteten eine Bruttowertschöpfung von etwa 1,6 Milliarden Euro. Mit einer Exportquote von 70 Prozent liegt Österreich in absoluten Zahlen weltweit an vierter Stelle (alle Daten für 2021).

Trotz dieser Faktenlage befindet sich die Branche in einer doppelten Zwickmühle: Auf der einen Seite ist auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Nicht umsonst sprach VBI-Präsident Hannes Broyer „von den Skills der Beschäftigten in der KFZ-Industrie, die wir gerne abwerben möchten“. Andererseits macht sich Unbehagen über Billigkonkurrenz aus Asien breit. So setzt die Westbahn AG Garnituren des chinesischen Konzerns CRRC ein. Daher bräuchte es bei den Ausschreibungen verpflichtende Kriterien einer europäischen Wertschöpfung von mindestens fünfzig Prozent. Da der Ausbau der Bahnsysteme hauptsächlich über Steuergelder finanziert wird, sollte auch der wirtschaftliche Nutzen vor Ort bleiben. Es wird immer offensichtlicher, dass die Lieferketten kürzer und damit krisenfester werden müssen. Denn nicht nur die verspätete Auslieferung von bestellten Siemens-Triebwägen, sondern auch fehlende Ersatzteile aus Fernost brachten die ÖBB – neben anderen Faktoren – zu Jahresbeginn in ärgere Probleme. Speziell in der Ostregion musste der Fahrplan ausgedünnt werden.

Ein wirksames Instrument, das der Industrie eine gewisse Planungssicherheit gibt, sind die ÖBB-Rahmenpläne, die den Bahnausbau auf Jahre festschreiben. Diese haben inzwischen auch eine internationale Vorbildfunktion. Die Bahnindustrie kann jedenfalls von der überfälligen Mobilitätswende profitieren, sodass in diese Branche viele neue „Green Jobs“ entstehen könnten. Die Politik muss nur die richtigen Maßnahmen setzen – sei es beim weiteren Bahnausbau oder neuen Regeln bei der Beschaffung.

Heinz Högelsberger arbeitet in der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien.

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