Österreichs Regionalbahnen haben eine wechselhafte Geschichte. Einst weit verzweigt, wurden in den letzten Jahrzehnten viele Strecken eingestellt. Nun gäbe es die Chance auf eine Renaissance – aber sie droht, vergeben zu werden.
Nach der Fertigstellung des Netzes der Hauptbahn-Korridore, wurde gegen Ende des 19. Jahrhundert mit der flächenmäßigen Erschließung durch sogenannte Nebenbahnen begonnen. Diese waren hauptsächlich für den Gütertransport vorgesehen. Die Streckenführung sollte Betriebsstandorte (Fabriken, Säge- und Bergwerke) erschließen und dabei möglichst kostengünstig sein. Geschwindigkeit hatte keine Priorität. Die Trassierung folgte mäandrierend der Geländeform, die Anbindung von Wohngebieten war weniger wichtig bzw. wurde sogar aktiv bekämpft. Häufig endeten Nebenbahnen am Talschluss oder mitten in der Landschaft. Man plante zwar Verknüpfungen mit benachbarten Bahnlinien, doch wurden diese spätestens mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs gestoppt. In der Ersten Republik fehlte schlichtweg das Geld für allfällige Ausbaupläne. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Grenzen zu Osteuropa noch undurchlässiger, grenzüberschreitende Nebenbahnlinien dadurch gekappt. Die Mehrzahl der Nebenbahnen endete also in Sackgassen. Die hier beschriebene Gemengelage – verbunden mit einem jahrzehntelangen Investitionsstopp und dem Aufkommen des Autos – machte es der Verkehrspolitik leicht, sehr viele Nebenbahnen einzustellen: Innerhalb der letzten fünf Jahrzehnte wurde hierzulande auf mehr als tausend Streckenkilometern der Personenverkehr eingestellt. Der Fall des Eisernen Vorhangs hätte die Chance gegeben, die grenznahen Regionalbahnen aufzuwerten und zahlreiche Lücken wieder zu schließen. Mit Ausnahme der Verbindung Retz – Znaim wurden dies jedoch nicht gemacht.
Eine Frage des Geldes
An den aktuellen Rahmen- und mittelfristigen Investitionsplänen (=MIP) für den Zeitraum 2021 bis 2025 bzw. 2026 sieht man, dass die verbliebenen Regionalbahnen immer noch mit recht wenig Geld auskommen müssen (siehe Tabelle).
Zukunftsmusik sind daher die Ausbaupläne der Regionalbahnen im Bereich der Städte Linz und Salzburg. Dass es anders gehen kann, zeigt das Schweizer Beispiel der Rhätischen Bahn: Diese ist eine leistungsfähige Schmalspurbahn im Hochgebirge, die sowohl als Touristenmagnet wirkt, aber auch Güter befördert. Eine andere Erfolgsgeschichte ist die Südtiroler Vinschger Bahn. Nach der Wiedereröffnung im Jahr 2005 stiegen die Fahrgastzahlen so rasant an, dass nun die Elektrifizierung vorbereitet wird.
„Jede Region hat das Verkehrsmittel, welches sie verdient“, meinte dazu – leicht provokant – Bahnexperte Gunter Mackinger kürzlich bei einer Diskussion. Eine Region müsse sich mit ihrer Bahn identifizieren. Dafür brauche es positive Emotionen und Menschen „zum Angreifen“ . Gemeinden entlang von Bahnlinien müssten dafür sorgen, dass die wichtigsten Frequenzbringer (Geschäfte, Ärztezentren, Betriebsansiedlungen, Kinos usw.) nicht mehr als 300 Meter von der nächsten Haltestelle entfernt sind.
Das aktuell diskutierte „Zielnetz 2040“ – also das Konzept für ein österreichisches Schienennetz der Zukunft – hält für Regionalbahnen drei schlechte Nachrichten bereit: Einerseits soll keine einzige stillgelegte Linie wieder reaktiviert werden. Zweitens sind keine grenzüberschreitenden Lückenschlüsse vorgesehen. Und drittens gibt es, anders als in der Schweiz, auch keine Vision, das Bahnnetz vollständig zu elektrifizieren. Auch nach 2040 sollen noch Akkuzüge in Österreich unterwegs sein.
Symptomatisch für das halbherzige Herangehen ist der Umgang mit der Franz-Josefsbahn: Dort wird zwischen Gmünd und Wien eine Kantenzeit von zwei Stunden angestrebt. Solche Fahrzeiten weisen die schnellsten Verbindungen schon jetzt auf! Die Bezirkshauptstadt Horn soll immer noch nicht direkt an die Hauptstrecke angebunden werden, stattdessen begnügt man sich mit einer neuen Schleife in Sigmundsherberg. Es ist auch keine Streckenbegradigung geplant, wie es sich im Raum Allentsteig anbieten würde.
Die vorhandenen Regionalbahnen werden also weiter bestehen bleiben. Eine echte Renaissance, bei der sie eine tragende Rolle bei der Erreichung einer flächendeckenden Mobilitätsgarantie spielen können, ist aber nicht zu erwarten.